Februar 29, 2012

Fundstück

Einen fantastischen Text hat Shawn Wilbur vor kurzem ausgegraben und auf englisch übersetzt: eine Satire aus der französischen Zeitschrift La Mode vom 5. Januar 1850, in dem Proudhons Kämpfe gegen seine Parteifreunde (gemäß dem Diktum Feind, Erzfeind...). Der Begriff Partei ist zu der Zeit vergleichsweise vage gefasst, gemeint sind die démocrates-socialistes Considérant, Leroux und Louis Blanc. Alle benutzten Zitate basieren im großen und ganzen auf Polemiken der vier Autoren.

Eine Kostprobe:
[Blanc über Proudhon]: "You are a gladiator by profession, a flesh-ripper renowned among the people, a panegyrist of tyrants (redoubling the volubility of his language); a juggler, a tender of limes, a sower of doubts (he nearly chokes in rage); a prompter of discord, a snuffer of light, a calumniator of the people (he lets his buttered bread fall); a race of Thrasymachus, a race of Lysander, a race of Tallien (he stamps on his bread); a sophist, a Philippist, a Hellenist, a Galimafron, a giant, a proud, vain, rude, brutal idolater of yourself, a Satan, a schoolboy, a Herostratus, an enragé, and finally a free student of the College of Besançon."

Den ganzen Text findet man hier: http://libertarian-labyrinth.blogspot.com/2012/02/feuding-brothers-1850.html

Februar 25, 2012

Both kinds of music (93): Die Wandlungen der Reba McEntire

Reba McEntire, die bis dahin eine typische Vertreterin des Country-Pop war, rebellierte 1984 gegen diesen, von Produzenten diktierten Sound. Sie verließ ihr Label Mercury und wechselte zu MCA Nashville, konnte sich aber dort beim ersten Album Just a little love, von dem auch der letzte Woche zu hörende Titel If only, noch nicht mit ihren eigenen Wünschen durchsetzen. Erst mit dem darauf folgenden Album mit dem programmatischen Titel My kind of Country (erschienen im Oktober 1984) konnte die Sängerin aus Oklahoma ihren neuen, neotraditionalistischen Stil entwickeln. Sie gewann alsbald die völlige kreative Kontrolle über ihren Output, nicht zuletzt, da das Album ebenfalls ihr kommerziell erfolgreichstes bis dato war. Hier die erste Single-Auskopplung How Blue:

Auf den beiden Alben Have I got a deal for you (1985) und Whoever's in New England (1986) fungierte McEntire dann offiziell als Co-Produzentin. Hier der etwas rockigere Titel Little Rock von letzterem:

Bereits 1988 wandte sich Reba McEntire allerdings schon wieder vom "Neotraditionalismus" ab. Das Album Reba bot einen moderneren, poppigeren Sound, und sie schreckte auch vor Country-untypischen Cover-Versionen von Ella Fitzgerald und Aretha Franklin nicht zurück. Mit dem Titel Respect trat sie auch bei den nächsten Awards der Country Music Academy auf:

69 Jahre George Harrison


Any Road vom Album Brainwashed (2002)

Februar 23, 2012

Nach dem Negativzins...

...nun der Negativlohn?
"It's being called the "negative salary": Due to austerity measures in Greece, it's being reported that up to 64,000 Greeks will go without pay this month, and some will have to pay for having a job. (...) 'Amongst them 21.000 teachers, 13.000 municipal employees and 30.000 civil servants'." (Quelle; via Tyler Cowen).

Auch wenn es sich um eine Ausnahmesituation handelt, fühle ich mich doch an den alten Roman Die Freizeit-Revoluzzer von Eric Koch erinnert:
"Gegen Ende der 70er Jahre häufen sich merkwürdige und unerklärliche Vorfälle, die über das Maß des üblichen Vandalismus hinausgehen, mehr sein müssen als Racheakte von Minoritäten oder Umtriebe Geisteskranker. Öffentliches und privates Eigentum werden vorsätzlich beschädigt, Theater- und Konzertaufführungen gestört, Freizeiteinrichtungen verwüstet. (...)
Es sind Frührentner und Arbeitslose, deren Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden, die zwar gut versorgt sind, aber vor Langeweile umkommen. Und ihre Zahl wächst von Jahr zu Jahr. (...)
Es scheint unmöglich, die tief eingewurzelte protestantische Arbeitsethik zu beseitigen (...). Die Leute wollen partout arbeiten. (...) Dabei liegt die Lösung auf der Hand, denn die Amerikaner halten - wie die Deutschen - etwas nur dann für wertvoll, wenn sie dafür bezahlt werden - oder dafür bezahlen müssen."
(Auszüge vom Buchdeckel der Heyne-Ausgabe von 1977).

Vielleicht kommen wir ja wirklich irgendwann in eine Logik, dass die bloße Tatsache einen Arbeitsplatz zu "haben" als derart wertvoll eingeschätzt wird, dass man dafür zahlt, statt bezahlt zu werden...

Februar 22, 2012

Zum 666. am 22.2.

Dies ist tatsächlich der 666. Post seit Oktober 2008 auf diesem Blog.

Zur Feier des Tages natürlich passend The number of the beast von Iron Maiden, jedoch in einer gut gemachten Klavier-Version (bei der einem der doch etwas alberne Text erspart bleibt):

Februar 20, 2012

Innovative Vorschläge

An Gustav Landauers Spott über Lasalle, der die Arbeiterfrage lösen wolle, indem jeder "Lohnarbeiter preußisch-deutscher Beamter mit Pensionsberechtigung" werde, fühlte ich mich heute morgen beim Interview des Le Quotidien mit dem Abgeordneten von Déi Lénk, Serge Urbany, erinnert. Dort fordert dieser nämlich den Statut des öffentlichen Diensts inklusive weitestgehendem Kündigungsschutz und der dadurch angeblich übertragenen "liberté d'expression" (!?) auf sämtliche Lohnabhängigen auszudehnen.

Noch innovativer ist allerdings wieder mal Jean-Marie Jacoby in der Zeitung vum lëtzebuerger Vollek (18.2.2012), der angesichts der jüngsten grünen Vorschläge zur (je nach Blickwinkel) Rettung/Demontage des öffentlichen Rentensystems, erwägt dieser doch Beitragszahlungen seitens des fixen Kapitals (Roboter und Computer?):
"Aber bitte, wenn unter dem Vorwand, die Pensionsversicherung sei nun eben eine Versicherung, Beiträge im Wesentlichen nur auf der Lohnmasse zu erheben sind, funktioniert das unter Bismarck eingeführte System immer schlechter: damals trugen nämlich Maschinen kaum etwas zur Produktion bei [!?], und es war logisch, sie nicht zur Beitragszahlung heranzuziehen, denn das hätte damals nichts gebracht. Heute ist das ganz anders: wenn der stetig anwachsende maschinelle Produktionsanteil keine Beiträge für die Sozialversicherung abliefert, müssen die Beiträge auf der Lohnmasse prohibitiv hoch werden, oder die Leistungen müssen verringert werden."

Nicht mehr zu toppen ist allerdings folgender Satz Jacobys:
"Die Lohnabhängigen tun gut daran, nicht auf populistische Phrasen wie jene von Sam Tanson [Parteivorsitzende der luxemburger Grünen] hereinzufallen, laut denen das Geld nicht vom Himmel fällt."

Februar 18, 2012

Both kinds of music (92): Die Schrecken des Jahres 1984

Passierte an den Rändern durchaus spannendes, wie wir letzte Woche gesehen haben, so waren doch die Mittachtziger und insbesondere das Jahr 1984 nicht gerade ein Höhepunkt der Geschichte der Country-Musik.
Zu den Hits des Jahres gehörten etwa Lee Greenwoods nationalistisch-kitschiges God bless the USA (fünf Monate später antwortete übrigens Bruce Springsteen mit Born in the USA)...

... und ein Duett zwischen Willie Nelson und dem spanischen Schmachtbolzen Julio Iglesias: To all the girls I've loved before.

Ansonsten wurden die C&W-Charts von den unvermeidlichen Alabama und den letzten Ausläufern des Countrypolitan bzw. Urban Cowboy-Sounds beherrscht, bei denen die Country-Wurzeln langsam unter all den Streichern kaum noch zu hören waren, z.B. hier in Reba McEntires If only:

Februar 17, 2012

Den Neie Feierkrop für Gesetz und Ordnung

In Reaktion auf die am Samstag von Piratenpartei, Grünen, Linken und Liberalen veranstaltete Protestdemo  mit zweifelhafter Ikonographie gegen das ACTA-Abkommen, erregt sich das Satireblatt Den neie Feierkrop in seiner heutigen Ausgabe (übrigens auf den Spuren Sloterdijks) über die wortführende Nachwuchspartei:
"(...) Piraten sind für die absolute Freiheit, gegen jeden 'staatlichen Zwang', also auch gegen Regeln zur Einrichtung des gesellschaftlichen Miteinanders. Sie wollen halt gratis im Internet klauen [gratis klauen! wo kommen wir hin?], Musik abladen, ihre Diplomarbeit abkupfern à la Guttenberg, und scheren sich nicht um Urheber- und Autorenrechte, die doch auch der Finanzierung von Kultur, Wissenschaft und Foschung dienen."

Der anonyme Autor bemüht anschließend den Verteidiger einer "eleganten Welt" Felix Bartels, der dazu schreibt:
"Geben Sie einem Raubritter einen Laptop und ein Buch von Milton Friedman - er wird umgehend eine Partei mit einer gelben Flagge gründen, Lohn- und Steuersenkungen sowie natürlich den Rückzug des Staates aus allen Lebensbereichen fordern. Geben Sie ihm ein paar Gehirnwindungen weniger, ein unstetes Gemüt und ein Buch von JJ Rousseau [wohl Anspielung auf "Le premier qui ayant enclos un terrain s'avisa de dire : Ceci est à moi, et trouva des gens assez simples pour le croire, fut le vrai fondateur de la société civile." usw.], und Sie werden einen Gründer der Piratenpartei erhalten. Es ist so einfach. Derselbe Hass in zwei Formen."

Nicht so genau mit der Verteidigung des Rechtsstaats nehmen es die Satiriker allerdings, wenn es gegen unpatriotische Griechen geht, die ihr Erspartes, Ererbtes oder Ergaunertes vorsichtshalber auf luxemburgische Konten deponiert haben. Weist Finanzminister und Bankenplatzlobbyist Luc Frieden hier auf eigentlich selbstverständliche rechtsstaatliche Gepflogenheiten hin ("Man kann nicht einfach solche Konten einfrieren. Dazu braucht es gerichtliche Schritte und dazu braucht es den Beweis, dass hier Steuerbetrug oder etwas anderes vorlag. Und falls dies der Fall ist, können selbstverständlich diese Schritte in Erwägung gezogen werden. Das kann man nicht politisch einseitig beschließen, in einem Rechtsstaat bedarf es hierzu Gerichtsbeschlüsse. Aber das liegt sicherlich im Bereich dessen, was in einigen Fällen notwendig ist."; zitiert nach dem DNF), erscheint gerade er als der Vertreter der Raubritter und Piraten. Verstehe wer will!

Februar 16, 2012

164 Jahre Octave Mirbeau

 
Vorwort zu La société mourante et l'anarchie von Jean Grave (1893):

J'ai un ami qui met une bonne volonté, vraiment touchante, à comprendre les choses. Tout naturellement, il aspire à ce qui est simple, grand et beau. Mais son éducation, encrassée de préjugés et de mensonges, inhérents à toute éducation, dite supérieure, l'arrête, presque toujours, dans ses élans vers la délivrance spirituelle. Il voudrait s'affranchir complètement des idées traditionnelles, des séculaires routines où son esprit s'englue, malgré lui, et ne le peut. Souvent, il vient me voir et nous causons longuement. Les doctrines anarchiques, si calomniées des uns, si mal connues des autres, le préoccupent ; et son honnêteté est grande, sinon à les accepter toutes, du moins à les concevoir. Il ne croit pas, ainsi que le croient beaucoup de gens de son milieu, qu'elles consistent uniquement à faire sauter des maisons. Il y entrevoit, au contraire, dans un brouillard qui se dissipera, peut-être, des formes harmoniques et des beautés ; et il s'y intéresse comme à une chose qu'on aimerait, une chose un peu terrible encore et qu'on redoute parce qu'on ne la comprend pas bien.
Mon ami a lu les admirables livres de Kropotkine, les éloquentes, ferventes et savantes protestations d'Élisée Reclus, contre l'impiété des gouvernements et des sociétés basées sur le crime. De Bakounine, il connaît ce que les journaux anarchistes, ça et là, en ont publié. Il a travaillé l'inégal Proudhon et l'aristocratique Spencer. Enfin, récemment, les déclarations d'Etiévant l'ont ému. Tout cela l'emporte, un moment, vers les hauteurs où l'intelligence se purifie. Mais de ces brèves excursions à travers l'idéal il revient plus troublé que jamais. Mille obstacles, purement subjectifs, l'arrêtent ; il se perd en une infinité de si, de cas, de mais, inextricable forêt, dont il me demande parfois, de le tirer.
Comme hier encore il me confiait le tourment de son âme, je lui dis :
— Grave, dont vous connaissez le judicieux et mâle esprit, va publier un livre : La Société mourante et l'anarchie. Ce livre est un chef-d'œuvre de logique. Il est plein de lumière. Ce livre n'est point le cri du sectaire aveugle et borné ; ce n'est point, non plus, le coup de tam-tam du propagandiste ambitieux ; c'est l'œuvre pesée, pensée, raisonnée, d'un passionné, il est vrai, d'un «qui a la foi», mais qui sait, compare, discute, analyse, et qui, avec une singulière clairvoyance de critique, évolue parmi les faits de l'histoire sociale, les leçons de la science, les problèmes de la philosophie pour aboutir aux conclusions infrangibles que vous savez et dont vous ne pouvez nier ni la grandeur, ni la justice.
Mon ami m'interrompit vivement :
— Je ne nie rien... Je comprends, en effet, que Grave, dont j'ai suivi à la Révolte, les ardentes campagnes, rêve la suppression de l'État, par exemple. Moi qui n'ai pas toutes ses hardiesses, je la rêve aussi. L'État pèse sur l'individu d'un poids chaque jour plus écrasant, plus intolérable. De l'homme qu'il énerve, et qu'il abrutit, il ne fait qu'un paquet de chair à impôts. Sa seule mission est de vivre de lui, comme un pou vit de la bête sur laquelle il a posé ses suçoirs. L'État prend à l'homme son argent, misérablement gagné dans ce bagne : le travail; il lui filoute sa liberté à toute minute entravée par les lois ; dès sa naissance, il tue ses facultés individuelles, administrativement, ou il les fausse, ce qui revient au même. Assassin et voleur, oui, j'ai cette conviction que l'État est bien ce double criminel. Dès que l'homme marche, l'État lui casse les jambes ; dès qu'il tend les bras, l'État les lui rompt ; dès qu'il ose penser, l'État lui prend le crâne, et il lui dit : «Marche, prends, et pense.»
— Eh bien ? fis-je.
Mon ami continua:
— L'anarchie, au contraire, est la reconquête de l'individu, c'est la liberté du développement de l'individu, dans un sens normal et harmonique. On peut la définir d'un mot : utilisation spontanée de toutes les énergies humaines, criminellement gaspillées par l'État ! Je sais cela... et je comprends pourquoi toute une jeunesse artiste et pensante, — l'élite contemporaine — regarde impatiemment se lever cette aube attendue, où elle entrevoit, non seulement, un idéal de justice, mais un idéal de beauté.
— Eh bien ? fis-je de nouveau.
— Eh bien, une chose m'inquiète et me trouble, le côté terroriste de l'anarchie. Je répugne aux moyens violents ; j'ai horreur du sang et de la mort, et je voudrais que l'anarchie attendît son triomphe de la justice seule de l'avenir.
— Croyez-vous donc, répliquai-je, que les anarchistes soient des buveurs de sang ? Ne sentez-vous pas, au contraire, toute l'immense tendresse, tout l'immense amour de la vie, par qui le cœur d'un Kropotkine est gonflé. Hélas ! ce sont là des tristesses inséparables de toutes les luttes humaines, et contre lesquelles on ne peut rien... Et puis !... voulez-vous que je vous fasse une comparaison classique ?... La terre est desséchée ; toutes les petites plantes, toutes les petites fleurs sont brûlées par un ardent, par un persistant soleil de mort ; elles s'étiolent, se penchent, elles vont mourir... Mais voici qu'un nuage noircit l'horizon, il s'avance et couvre le ciel embrasé. La foudre éclate, et l'eau ruisselle sur la terre ébranlée. Qu'importe que la foudre ait brisé, ça et là, un chêne trop grand, si les petites plantes qui allaient mourir, les petites plantes abreuvées et rafraîchies, redressent leur tige, et remontent leurs fleurs dans l'air redevenu calme ?... Il ne faut pas trop, voyez-vous, s'émouvoir de la mort des chênes voraces... Lisez le livre de Grave... Grave a dit, à ce propos, des choses excellentes. Et si, après avoir lu ce livre, où tant d'idées sont remuées et éclaircies, si après l'avoir pensé, comme il convient à une œuvre de cette envergure intellectuelle, vous ne pouvez parvenir à vous faire une opinion stable et tranquille, mieux vaudra, je vous en avertis, renoncer à devenir l'anarchiste que vous pouvez être, et rester le bon bourgeois, l'impénitent et indécrottable bourgeois, le bourgeois «malgré lui», que vous êtes, peut-être...
OCTAVE MIRBEAU

Februar 14, 2012

Noch ist Luxemburg nicht verloren

Gelesen auf wort.lu:
"2011 gelang es dem Konzern, den Bierausstoß um 2,5 Prozent zu steigern – vor allem durch die Expansion jenseits der Luxemburger Grenzen. (...)
Obwohl in Europa und Luxemburg von Jahr zu Jahr weniger Bier getrunken wird – allein im vergangenen Jahr tranken die Luxemburger 22 Prozent weniger Gerstensaft als 2010 – steigerte die Brasserie Nationale mit ihren Marken Bofferding und Battin den Umsatz. Der Vorsteuergewinn stieg sogar um 25 Prozent auf 4,9 Millionen Euro. (...)"

Februar 13, 2012

Markets not capitalism

Gary Chartier bei reason.tv über die rezente Anthologie Markets not capitalism. Individualist anarchists against bosses, inequality, corporate power and structural poverty, in welcher anarchistische "Klassiker" wie Proudhon, Tucker, Spooner und de Cleyre sich ebenso wiederfinden wie die "Anarchokapitalisten" Hess und Rothbard (mit Texten aus ihrer "linken" Phase in den 1960ern) und neuere Linkslibertäre und Neo-Mutualisten wie Charles Johnson, Kevin Carson, Roderick T. Long und Chartier selber:

Fans:
(wobei die Kollegen von Anonymous allerdings zu glauben scheinen, es gebe einen "wirklichen ökonomischen Prozess" jenseits des bestehenden (Finanz-)Kapitalismus, den es zu bewahren bzw. "wiederherzustellen" gelte, ebenso wie sie glauben, es gebe eine "reale" - d.h. eigentlich: ideale - Demokratie jenseits der real existierenden...)

Februar 11, 2012

Both kinds of music (91): Neues Gras, angereichert mit etwas Jazz

Die Veteranen des Progressive Bluegrass New Grass Revival waren Ende der 1970er/1980er im wesentlichen zur Backing-Band des ehemaligen Rockstars Leon Russell geworden. Nach dem Album Commonwealth (1981) wurde ein radikaler Neuanfang gewagt, und mit Pat Flynn an der Gitarre und Béla Fleck am Banjo zwei neue Mitglieder engagiert, die zuerst 1984 auf einem in Toulouse aufgenommenen Live-Album zu hören waren. Etwas später im gleichen Jahr erschien das Album On the boulevard mit u.a. dem Instrumental County Clare, geschrieben von Fleck:

Ebenfalls 1984 erschien das deutlich abenteuerlichere Solo-Album Deviation von Fleck, das mit dem gleichen Line-Up wie On the boulevard eingespielt wurde. Hieraus der Titelsong, eine Art neuartige Fusion aus Bluegrass und Jazz:

Bluegrass hatte sich recht weit von der ursprünglichen Formel von Bill Monroe und seinen Blue Grass Boys entfernt. Nichtsdestotrotz verbeugte sich David Grisman, der ebenso wie Fleck und bereits vor diesem Jazz und Bluegrass verband, auf seinem 1983er Album Dawg Jazz/Dawg Grass mit gleich zwei Songs vor Monroe: einer Coverversion von Wayfaring Stranger und dem Titel Happy Birthday Bill Monroe
Hier jedoch eine völlig andere Aufnahme von Grisman, begleitet von Tony Rice, Mark O'Connor, und Rob Wasserman, die ungefähr aus dem gleichen Zeitraum stammt: E.M.D., ursprünglich erschienen auf dem Album The David Grisman Quintet (1977):

Februar 09, 2012

119 Jahre Charles Auguste Bontemps


La liberté individuelle se défend anachroniquement selon la très vieille opinion qu’il n’est d’indépendance, pour le modeste possédant, que sur son champ, derrière son comptoir ou devant son établi. Cependant, des millions d’hommes et de femmes non possédants ne peuvent indéfiniment faire les frais d’une production et d’une répartition insuffisantes, onéreuses et inadéquates aux besoins, pour qu’une minorité de leurs concitoyens se croient indépendants, ce qui n’est, en dernière analyse, qu’une illusion.
Les conquêtes que les hommes ont faites sur la nature empruntent aux forces de la nature. Elles obéissent à leur déterminisme et les hommes sont contraints de les suivre pour les diriger ou de se laisser emporter par elles au désordre économique. De sorte que, finalement — dans l’intrication des productions et des échanges nationaux et internationaux — c’est la nécessité publique qui doit orienter l’organisation de l’économie. De manière ou d’autre, il faut à la fois que soient trustées les grandes affaires et que soient contenus les trusts, ceux de forme soviétique aussi bien que ceux de forme capitaliste. Les petites affaires ne peuvent durer et prospérer qu’autant qu’elles correspondent à des besoins et tiennent dans le circuit la place qui convient, non à leur possesseur, mais à la nature des services qu’elles rendent.
Est-ce là une régression de la liberté ? Ce peut être, en effet, un servage d’Etat dont notre temps aura fait la dure expérience. Ce peut être aussi, dans une société collectivisée sous une extrême rigueur policière, la stagnation de l’économie par l’annulation des libres initiatives.
Il faut cependant, à une société équipée d’instruments nouveaux, des principes de vie nouveaux. La difficulté est d’axer ces principes de telle sorte que la socialisation des moyens n’entraîne pas la caporalisation des personnes. Que l’argent n’ait plus toute autorité ne suffit pas à changer la condition des hommes de labeur si tout le pouvoir demeure en dehors d’eux. Que la production et la répartition des biens soient rationnellement et intégralement organisées, que la prospérité même en découle, il n’en résulte aucun progrès humain authentique, si au sein du mécanisme économique et social, à chaque rouage essentiel ne subsistent une possibilité et un intérêt d’initiative individuelle ; si dans les laboratoires et les facultés, comme dans la modeste chambre d’un pionnier solitaire, ne sont maintenues et stimulées les tendances des élites à la libre recherche.
Dans cet ordre d’idées, les doctrines et les systèmes abondent. Aucun, et singulièrement ceux qui, plus ou moins déformés, ont été mis en actes, ne résout la contradiction de l’individuel et du social. Tous comportent des éléments valables que désignent au choix les expériences des révolutions décevantes de ce premier demi-siècle. Ils sont à reprendre dans une synthèse d’organisation sociale qui, de quelque nom qu’on la désigne, sera collectiviste quant à la gestion des choses. Ce qu’on en doit dégager pour ce qui est de notre objet, ce n’est pas tant la forme organique à lui donner que l’esprit qui la devrait animer afin qu’elle servît la liberté.
Tout serait aisé s’il suffisait de rappeler le truisme démocratique : le bien public, fait collectif, exige comme tel le concours de tous et interdit ce qui lui est contraire. Précisément, c’est à partir de cette interdiction que l’arbitraire commence et que disparaît la liberté puisque, au moule étroit des juristes, ce principe dirimant signifie que le social prime absolument le particulier. Il devrait donc être corrigé par l’exception formelle des droits de l’individu : libre manifestation de toute pensée, liberté sans condition des actes accomplis en privé, droit effectif à un temps suffisant de vie rigoureusement personnelle, c’est-à-dire sans aucun contrôle d’emploi. Sans ces garanties, il n’est de révolution où l’individu ne se retrouve bientôt ficelé et bâillonné par les “devoirs” arbitraires et les néoconformismes.
Disons, en d’autres termes, qu’il n’est point de système qui vaille un effort de réalisation s’il pose l’individu comme la chose du collectif. L’individu est un élément du collectif dont il est inséparable puisqu’ils sont et vivent l’un par l’autre. Mais l’individu seul est une réalité, un “ être ” en soi et pour soi : une personne. C’est pour subsister que l’individu est astreint à une part de l’effort commun, à des disciplines inévitables. Cette part d’efforts accomplie, sa personne doit recouvrer sa complète autonomie, son existence “ pour soi ” qui est la condition sans laquelle toute vie humaine serait dépourvue de signification.
(Aus: L'homme et la liberté [1955], nach der Ausgabe Paris, 2002, S.99-101).

Februar 08, 2012

Das Methadon des Volkes?

Auch eine These:
"La foi socialiste donne aux simples l'espérance que les dieux ne lui donnaient plus, et les illusions que la science leur avait ôtées."
(Gustave Le Bon, zitiert bei Georges Sorel, Les illusions du progrès. Suivi de L'avenir socialiste des syndicats, Lausanne, 2007, S.219).

Februar 06, 2012

148 Jahre John Henry Mackay


Eine Opposition zwischen staatssozialistischer und individualanarchistischer Utopie aus dem Jahre 1920 (aus dem letzten Kapitel des Romans Der Freiheitssucher):
"Mußte es wirklich bis zu diesem Äußersten und Letzten kommen? – der Leidensweg der Menschheit bis zu seiner letzten Station durchgangen werden? ...
Es lag einzig und allein an diesen Menschen selbst: ob sie sich in letzter Stunde noch für den einzigen Weg entscheiden würden, der sie vor dem eigenen Untergang bewahren konnte; oder ob sie weiter versuchen würden, einen Orkan mit Gewalt zu beschwören, dessen Ausbruch nur eine Macht auf Erden verhindern konnte – die Macht der Freiheit.
Taten sie es nicht, erkannten sie nicht den Weg, der sie allein noch herausführen konnte aus dem zusammenstürzenden Hause, dann geschah das Unabwendbare: rollte die blutige Welle vom Osten heran über einen in seinen Grundfesten erschütterten Westen, begrub seine Kultur und ersäufte den letzten Schrei nach Freiheit auf unübersehbare Zeit! ...
Dann, wenn aus diesem Kampfe die Gewalt unbezähmbarer und nicht mehr aufzuhaltender Massen als Siegerin hervorgehen sollte und die Allmacht des Staates in den von fanatisierten Gehirnen ausgeklügelten Systemen eines unmöglichen Kommunismus auf der ganzen Linie obsiegte; wenn keiner sich mehr um seine Angelegenheiten kümmern durfte, oder vielmehr: sich nicht zu kümmern brauchte, da es keine »privaten« Angelegenheiten mehr gab, sondern nur noch »öffentliche«;
wenn alle zu besoldeten Angestellten des Staates geworden waren, es also nur noch Beamte gab und das ganze Land eine große Kaserne geworden war;
wenn es nur noch ein Hospital, eine Schule, eine Kirche, eine Familie mehr gab und der ganze Staat ein großes Narrenhaus geworden war, in dem die fixeste Idee die Anwartschaft auf die größte Anerkennung hatte;
wenn die »Aufteilung« aller Vermögen und des Grundbesitzes »zu allgemeiner Zufriedenheit« stattgefunden hatte und keiner irgendetwas tatsächlich sein eigen nennen konnte – es nur noch ein Eigentum gab, an dem alle teilhatten; wenn jeder die ihm festgesetzte Zeit arbeitete, nicht mehr und nicht weniger, und nur, was ihm vorgeschrieben war; wenn Handel und Wandel, die Fabriken und die Bergwerke, die Banken und die Kaufhäuser, alle Transportmittel zu Wasser, zu Lande und in der Luft und der gesamte Verkehr, kurz, die ganze Industrie und alle ihre Betriebe unter Zwangswirtschaft gestellt waren;
wenn das Kinderzeugen, das doch immerhin bisher unter Umständen noch ein Vergnügen gewesen war, der staatlichen Erlaubnis bedurfte und an Stelle der freien Auslese nur noch Zwangsehen vorgeschrieben waren, in denen die Zahl der in die Welt zu setzenden Kinder gemäß der Statistik des für die Allgemeinheit notwendigen Bevölkerungszuwachses normiert war;
wenn Bücher erst geschrieben und veröffentlicht werden durften, nachdem ihr Entwurf eingereicht und dieser »gebilligt« war, und selbst die Dichter nicht mehr ohne vorherige Erlaubnis singen durften (es seien denn Hymnen auf den Staat);
wenn alle Wissenschaft der Kontrolle von »anerkannten Autoritäten« unterstellt und genau vorgeschrieben war, was gelehrt, gelernt, gedacht und erfunden werden durfte;
wenn die Kunst nur noch in Akademien unter der Aufsicht staatlich angestellter Professoren ausgeübt wurde –
wenn so der Staat, der Idealstaat, der Volksstaat, für eine, und sei es noch so kurze Zeit, unmögliche Wirklichkeit geworden, wenn alles, aber auch alles verstaatlicht oder kommunalisiert war;
wenn die gegenseitige Bevormundung ihren Höhepunkt erreicht haben würde – jedes Wort, jeder Blick, jeder Schritt und Tritt beobachtet, bewacht, belauert und kontrolliert wurde;
wenn alle Menschen gleich geworden waren, gleich im Denken und Fühlen, Trachten und Streben, Reden und Handeln, so gleich, daß nur eine Numerierung noch sie voneinander zu unterscheiden vermochte;
wenn die Eintönigkeit und Langeweile dieses endlich erreichten Paradieses auf Erden auch den Stumpfsten zur Verzweiflung getrieben haben würde (während alle anderen längst diese Hölle des Glücks freiwillig verlassen oder sich aufgehängt hatten);
wenn – – –

Aber hier wurde er unterbrochen.
Nein, so weit würde es nicht kommen. So weit gehen wir denn doch nicht mit! –
Als ob es dann noch darauf ankäme, wie weit die dann noch mitwollten, die nun mitgerissen wurden!
Ja, ganz so weit würde es wohl nicht kommen. Aber an dem guten Willen der Gleichheitsfanatiker, die den Stein herabgewälzt und ins Rollen gebracht, lag es sicherlich nicht, wenn ein solcher oder ähnlicher Idealzustand eines sozialistischen Staatswesens, einer Menschheitskommune, eines dritten Reiches nicht erreicht und furchtbare Wirklichkeit wurde, denn jede Gewalt ging immer so weit, wie sie eben gehen konnte, und schreckte vor keiner noch so absurden Zwangsmaßregel zurück, wenn es ihr nur gelang, ihre »Idee« durchzusetzen.
– Was uns von diesem Äußersten bewahrte und allein bewahren würde, war das Maß an Freiheit, das wir uns in dem langen und schweren Kampf der Kultur in diesen letzten Jahrhunderten, nach und nach, aber unentwindbar erworben hatten. Und daß dieser Weg der Kultur aufwärts ging, »in Spiralen« zwar, aber aufwärts, das war unsere beste und letzte Hoffnung.

Aber auch wenn sich die Menschen besinnen würden – und was blieb ihnen schließlich übrig, als sich auf sich selbst zu besinnen? – auch wenn sie sich langsam, und so unbegreiflich widerwillig der Freiheit zugewandt haben und deren stille und doch so zwingende Segnungen offensichtlich eingesetzt haben würden:
wenn der letzte große Kampf, der Kampf zwischen Staat und Individuum, ausgefochten war und mit dem Siege des letzteren über seinen mächtigen Feind geendet hatte;
wenn die gesunde Vernunft den Worten wieder zu dem ihnen innewohnenden Sinn verholfen haben und gegenseitiges Verständnis aus der wahren Erkenntnis der Begriffe wieder ermöglicht sein würde;
wenn die Menschen sich endlich daran gewöhnt haben würden, ihre eigensten Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, statt mit ihnen andere, die sie nichts angingen, zu belästigen, und sich so gezwungen sahen, die Verantwortung für diese ihre Handlungen selbst zu tragen, statt sie jenen anderen aufzubürden;
wenn nach und nach der furchtbare Druck des Staates von ihnen wich und sie sahen, wie schön, reich, sorgenlos und glücklich das Leben sein konnte und wie arm, elend und entwürdigend es gewesen war;
wenn der mißhandelte Begriff der Gleichheit wieder einen Sinn erhalten hatte, den einzigen, den er haben konnte – den der gleichen Freiheit aller;
wenn es keine andere Einkommensquelle mehr gab, als die der Arbeit, und es jede Freiheit gab, außer einer nicht: der auf Kosten anderer;
wenn mehr und mehr erkannt wurde, daß nicht der Wert, sondern allein die Kosten das gerechte Maß des Preises bilden sollten und daß die, welche dieses Prinzip nicht anerkannten, mehr und mehr als Unehrliche und Betrüger gebrandmarkt wurden;
wenn die Nachfrage nach Arbeit das Angebot nach ihr übersteigen und somit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nachlaufen würde, statt wie heute der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber, so daß der Arbeiter den Lohn seiner Arbeit selbst zu bestimmen in der Lage war und ihn natürlich nicht unter ihrem vollen Ertrage festsetzen würde;
wenn mit dem Fortfall aller künstlichen Grenzen und Schranken und der Erschließung der natürlichen Reichtümer der Länder deren unerschöpfliche Schätze in ungehindertem und unbelastetem Austausch einander zuströmten;
wenn eine schrankenlose Konkurrenz auf allen Gebieten fortgesetzt die besten Waren zum billigsten Preise auf den Markt warf;
wenn Handel und Wandel blühen, der Austausch einen ungeahnten Aufschwung nehmen, der Unternehmungsgeist beflügelt sein würde;
wenn die Höhlen der Armut und die Schlupfwinkel der Verbrechen allmählich gesunden Eigenheimen auf eigener Scholle weichen mußten;
wenn so der Wohlstand sich langsam, aber stetig heben, die Volksgesundheit sich bessern und die Sterblichkeit sich verringern würde;
wenn ein von Lasten und Abgaben, Steuern und Tributen hundertfacher Art bis zum Ersticken belastetes Volk endlich aufatmen durfte;
wenn jeder nur die Schulden hatte, die er selbst machte, und nicht mehr die zu bezahlen gezwungen war, die andere für ihn machten, und jeder daher über sein Einkommen uneingeschränkt disponieren konnte;
wenn die Menschen, ohne diese ständige Furcht vor Kriegen, Seuchen und wirtschaftlichen Krisen leben durften, selbst ihre eigene Freiheit bewachend und eifersüchtig gegen jeden Eingriff in die endlich als ihr höchstes Gut erkannte;
wenn nicht mehr privilegiertes, sondern freies Geld, statt sich zurückzuhalten, sich überall, gleich jeder anderen Ware anbot und keinem, der wirklich arbeiten wollte, Kredit verweigert wurde;
wenn die Möglichkeit, selbst Maß und Grenze seiner Arbeit zu bestimmen, dem einzelnen Zeit und Muße ließ für Liebhabereien und Neigungen, und so eine gesunde und vernünftige Lebensführung garantierte;
wenn alle Kronen und Szepter, Talare und Rüstungen, Uniformen und Orden nur in den Museen der Vergangenheit noch moderten, um dort als kindische Albernheiten überwundener Zeiten bestaunt und verlacht zu werden;
wenn als größte Beleidigung die Frage: »Was geht dich das an ?« – und als stärkste aller Vermahnungen die: »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten« gelten würde;
wenn man sich langsam daran gewöhnt haben würde, endlich als Mensch unter gleichberechtigten und selbstbewußten Menschen zu leben, statt unter anmaßenden, gewalttätigen und eingebildeten Beamten einerseits, und autoritätsseligen, verkümmerten und eingeschüchterten »Bürgern« andererseits, unter lauter fleißigen Menschen, statt unter Nichtstuern und Laffen hier, und versklavten Arbeitstieren dort – unter freien Menschen, die sich nichts mehr sagen zu lassen brauchten, aber sich auch nichts mehr herausnehmen durften;
wenn der Kapitalismus, der die Arbeit in der Form des Zinses, und der Kommunismus, der sie »zum Besten aller« bestahl, als das erkannt waren, was sie in Wirklichkeit waren – als Räuber, und so die Frage von Mein und Dein ihrer Klärung um ein gutes Stück näher gerückt war;
wenn die Menschen es endlich satt bekommen hatten, sich in Form von Steuern berauben zu lassen, weder durch die Hand der brutalen Gewalt, noch durch die, welche sich bei brüderlicher Umarmung in ihre Taschen stahl;
wenn die Möglichkeit eines jederzeit freien Berufswechsels, die Aussicht auf eine abwechselungsreiche Tätigkeit, die Arbeitslust hob;
wenn es wieder eine Lust war zu leben: für den Arbeiter, weil er sah, wie sein Kredit sich hob und seine Arbeit sich voll bezahlt machte; für den Kaufmann, weil die Geschäfte florierten; für den Unternehmer, weil sich seiner Initiative alte wie neue Wege erschlossen; und weil allen ihre Arbeit ermöglichte, den Grund zu eigenem Vermögen und damit zu wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit zu legen;
wenn der Wettbewerb im ganzen Verkehrswesen das Reisen wieder zu einem Vergnügen machte, und das Publikum, statt sich von Eisenbahn und Post, alles, auch das Unmöglichste bieten lassen zu müssen, wieder seine Wünsche äußern durfte, wie deren Erfüllung durchzusetzen imstande war, und der Vergleich sodann ergeben würde, welch gradezu vorsintflutliche Institute beide, Post wie Eisenbahn, unter dem staatlichen Regime und seinen Privilegien gewesen waren;
wenn Gerichte, falls sie sich noch als notwendig erweisen sollten, keine Strafgerichte mehr, sondern nur noch Schiedsgerichte sein würden, und Schadloshaltung das alleinige Prinzip der Strafverfolgung, und an die Stelle ganzer Bibliotheken voll verschimmelter Gesetze das eine, für jeden faßliche getreten war, das oberste, überall und allein gültige: »Achte die Freiheit deines Nächsten, wenn du willst, daß die deine geachtet werde«;
wenn mit zunehmendem Wohlstand das allgemeine Niveau der Bildung sich hob, das Interesse an Kunst und Wissenschaft sich verallgemeinerte und die Liebe zum Schönen nicht nur bei einzelnen, wenigen, sondern – wenn auch nicht bei der Masse – so doch bei den vielen eine Stätte fand;
wenn die Aufhebung jeder geistigen Bevormundung die Kritik entfesselte und es keinen Übelstand mehr gab, der – durch schuldige und schuldbewußte Autoritäten in dieser Kritik unterdrückt und gedeckt – sich der öffentlichen Beurteilung entziehen konnte, sondern vielmehr sofort an den Pranger gestellt wurde; wenn diese selbe Kritik dafür aber gelernt haben würde, an der Schwelle des Hauses haltzumachen und sich aufs strengste jeder Einmischung in private Angelegenheiten zu enthalten, wollte sie nicht eine Entrüstung sondergleichen überall entfachen;
wenn die Geheimsprache, mit der sich die Regierenden, die Diplomaten und die Banken, die Ärzte und die Apotheker wie mit einem Schutzwall umgaben, dem gesunden Verständnis erschlossen war;
wenn nach dem Fortfall der sogenannten Autorenrechte der dann freie Nachdruck der geistigen Produktion eine ungeheure Verbreitung sichern, und nach dem Fall der Patentmonopole der Erfindergeist nicht gelähmt, sondern im Gegenteil beflügelt werden würde;
wenn sich die Menschen überzeugten, um wieviel reiner und schöner die freien Bündnisse der Liebe waren als die dumpfen und engen Betten der Ehe, und wieviel schöner und gesünder die ihnen entsprossenen Kinder, und wie die Freiheit der Liebe der beste Schutz war gegen Verführung, Unsittlichkeit und sexuelle Erkrankungen;
wenn die privaten Schulen in ihren Resultaten die staatlichen weit hinter sich gelassen haben und aus ihnen freie, selbständige und aufrechte Menschen hervorgehen würden, statt verbildete, unfrohe, in ihrem geistigen Wachstum gehinderte und verbogene Staatskrüppel; wenn sich die Universitäten in Wahrheit zu freien Hochschulen gewandelt hatten, statt fälschlich nur den Namen solcher zu tragen; wenn diese und zahllose andere Vorteile der Freiheit greifbar beglückende und nicht mehr leugbare Wirklichkeit geworden waren, weil es keine Macht mehr gab, die natürliche Entwicklung zu ihnen zu hindern, zu unterbinden und zu stören;
wenn alles dies gekommen war, »wie von selbst«, gegen den Willen der Feinde der Freiheit und über sie hinweg, als die natürliche Folge des Sturzes dieser Macht: des Staates –
gewiß: selbst dann würde es immer noch Unbelehrbare geben, deren Vorurteile sich hartnäckig jeder Erkenntnis verschlossen, sogar der der Wirklichkeit, auch dann noch immer solche und neue Feinde der Freiheit nicht bekehrt und weiter am Werke sein, ihr zu schaden, aber in Ohnmacht am zwecklosen Werk, bis auch sie endlich verstummen mußten, weil niemand mehr auf sie hörte und alle sie verlachten! ..."

Februar 04, 2012

Both kinds of music (90): Die neuen Alten

Neben George Strait wurde die neotraditionalistische Welle der Mitachtziger u.a. von Ricky Scaggs initiiert, der in den 1970ern recht aktiv in der "Newgrass"-Szene war, und sowohl bei den Clinch Mountain Boys, den Country Gentlemen und J.D.Crowe's New South mitmischte. Ebenso spielte er auf dem 1980er Album von Emmylou Harris, Roses in the snow, das in gewisser Weise die Neotrad-Welle bereits vorwegnahm. In den frühen Achtzigern veröffentlichte Skaggs eine Reihe sehr erfolgreicher Solo-Alben, darunter das Nummer 1-Album Highways & Heartaches (1982), mit dem Hit Highway 40 Blues:

Ricky Scaggs auf dem 1983er Album von Gail Davies zu hören, deren Karriere in den frühen Achtzigern ihren Höhepunkt erreichte. Gail Davies, die Schwester des Songwriters Ron Davies, hatte 1979 als erste Country-Interpretin ihre eigene Platte produziert. 1985 bildete sie die kurzlebige Band Wild Choir, die schon ein wenig den Übergang von Neotrad zu alt-Country markierte. Hier jedoch der Titel It's a lovely, lovely world vom Album I'll be there (1981), mit Emmylou Harris als Backing-Sängerin:

Eines der erfolgreichsten Neotrad-Alben überhaupt war das 1986 erschienene Major-Debüt von Randy Travis, Storms of life. Hiervon der Titel On the other hand:

Februar 03, 2012

103 Jahre Simone Weil

La porte (1941)

Ouvrez-nous donc la porte et nous verrons les vergers,
Nous boirons leur eau froide où la lune a mis sa trace.
La longue route brûle ennemie aux étrangers.
Nous errons sans savoir et ne trouvons nulle place.

Nous voulons voir des fleurs. Ici la soif est sur nous.
Attendant et souffrant, nous voici devant la porte.
S’il le faut nous romprons cette porte avec nos coups.
Nous pressons et poussons, mais la barrière est trop forte.

Il faut languir, attendre et regarder vainement.
Nous regardons la porte ; elle est close, inébranlable.
Nous y fixons nos yeux ; nous pleurons sous le tourment ;
Nous la voyons toujours ; le poids du temps nous accable.

La porte est devant nous ; que nous sert-il de vouloir ?
Il vaut mieux s’en aller abandonnant l’espérance.
Nous n’entrerons jamais. Nous sommes las de la voir.
La porte en s’ouvrant laissa passer tant de silence

Que ni les vergers ne sont parus ni nulle fleur ;
Seul l’espace immense où sont le vide et la lumière
Fut soudain présent de part en part, combla le cœur,
Et lava les yeux presque aveugles sous la poussière.