Februar 27, 2010

Links, zusammenhangslos

- A propos Slowenien: Laibach veröffentlichen anlässlich ihres dreißigsten Geburtstags ihr Debütalbum neu, später dieses Jahr auch den Volkswagner als Doppelalbum. Eine Hörprobe findet man hier, mehr Infos zum Projekt (inklusive Reminiszenzen an den KdF-Wagner) hier.

- Ein lesenswerter Aufsatz von Wendy McElroy über die libertären Credentials von Oscar Wilde.

- Darian Worden über libertäre Anfälligkeit für Dogmatismus und Personenkult (aber wieso hält er darauf, sich an der "Ideologie" festzuklammern?).

Disco Cosmopolis (5): Balkan Beats

Zdravo - Disko Je Prava Stvar (1977)



Beti Djordjević -Nasloni Glavu (1978)


Cice-Mace & Miha Kralj - Decaci (1981)


 Bonus: ein Aerobic-Kurs in der Muttersprache von Slavoj Žižek:

Februar 25, 2010

Ein letzter Auszug aus "Marx und Keynes"

"Es gab immer Widerstand gegen staatliche Kontrollen - wofür die Ideologie des laissez-faire als Beispiel steht -, doch der gegenwärtige objektive Konflikt zwischen Staat und Unternehmertum weist wegen des im Verhältnis zur allgemeinen Kapitalexpansion schnelleren Wachstums staatlich induzierter Produktion einen anderen Charakter auf. Der quantitative Wandel deutet auf eine unerwünschten, doch unvermeidlichen qualitativen Wandel hin, da ausgedehnte staatliche Kontrolle der Wirtschaft das Ende des Privatunternehmens ankündigt.[hier war Mattick 1969 dann doch leicht voreilig...]. Dieser objektive Gegensatz von staatlicher Kontrolle und Privatkapital ist noch undurchsichtig; er erscheint als subjektive Kooperation von Regierung und Geschäftswelt in der marktbestimmten Wirtschaft. Die 'Zusammenarbeit' ist nur möglich, weil in ihr immer noch die Maßnahmen der Regierung den besonderen Bedürfnissen des big business untergeordnet werden. Aber diese besonderen Bedürfnisse widersprechen den allgemeinen gesellschaftlichen Notwendigkeiten, und die dadurch freigesetzten gesellschaftlichen Konflikte werden zu Konflikten um die ökonomische Rolle des Staates werden, d.h. politische Kämpfe um die Kontrolle des Staates sein, um seine Intervention in die Wirtschaft entweder zu beschränken oder auszudehnen.

Wenn die ökonomische Rolle des Staates auch die Gesamtwirtschaft in einen 'öffentlichen' und einen 'privaten Sektor' zu teilen scheint, gibt es in Wirklichkeit natürlich nur eine Wirtschaft, in die der Staat interveniert; nicht Staatseigentum, sondern staatliche Kontrolle kennzeichnet das gemischte Wirtschaftssystem. Zusätzlich dazu hat sicherlich das unmittelbare Staatseigentum einen bedeutsamen und wachsenden Umfang; wie es auch schon im laissez-faire-Kapitalismus Staatseigentum gab. Aber ganz gleich wie selbsterhaltend, selbstliquidierend oder sogar profitabel einige staatliche Unternehmen sind: der Staat fordert einen immer größeren Anteil am privat produzierten Reichtum.

Der 'gemischte' Charakter des gegenwärtigen Kapitalismus ist also nur ein Schein, der sich daraus ergibt, daß staatlich induzierte Produktion die Gesamtwirtschaft stimuliert. Es ist offensichtlich, daß durch öffentliche Arbeiten und Produktion für Verschwendung Maschinerie, Materialien und Arbeitskräfte genutzt werden können. Die Produktion wird generell gesteigert, da die Initiative der Regierung zusätzliche Märkte für alle Kapitale schafft, die an der Produktion von Gütern beteiligt sind, die in die staatlich induzierte Produktion eingehen, einschließlich der Konsumgüter für die in ihr beschäftigten Arbeiter. Das Endprodukt der staatlich induzierten Produktion, das aus einer langen Kette dazwischenliegender Produktionsprozesse resultiert, hat jedoch nicht die Form einer Ware, die auf dem Markt gewinnbringend verkauft werden könnte. Was immer in seine Produktion einging, zählt zu seinen Produktionskosten, und kann nicht über einen Verkaufspreis wieder eingebracht werden, weil es keine Käufer für öffentliche Arbeiten und Verschwendung gibt.

Dennoch erscheint diese 'Doppel'wirtschaft mit ihrem öffentlichen und privaten Sektor als 'gemischtes' Wirtschaftssystem, das sowohl dem Privatkapital als auch der Gesamtgesellschaft nützt. Obwohl jeder Sektor seine eigene Tendenz hat, da der eigene gewinnbringend ist und der andere nicht, sind sie dennoch im wirklichen Produktions- und Tauschprozeß untrennbar miteinander verknüpft. Aus praktischen Gründen ist das Wirtschaftssystem also ein 'gemischtes', selbst wenn staatlich induzierte Produktion zum Gesamtprofit der gesellschaftlichen Gesamtproduktion nichts hinzufügen, sondern nur etwas davon abziehen kann."
Paul Mattick, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.165-166.

Abschließend sei noch auf die französische Übersetzung verwiesen, die vor kurzem bei Gallimard erschienen ist.

Februar 21, 2010

L'oisif ira loger ailleurs

"Der Arbeiterstaat betrachtet sich als dazu berechtigt, jeden Arbeiter an den Platz zu stellen, an dem seine Arbeit gebraucht wird. Kein ernsthafter Sozialist wird dem Arbeiterstaat das Recht streitig machen zu wollen, gegen den Arbeiter Gewalt anzuwenden, der sich weigert, seiner Arbeitspflicht nachzukommen. (...) In der gegenwärtigen schwierigen Periode ist das Lohnsystem für uns in erster Linie nicht ein Mittel, um die persönliche Existenz jedes einzelnen Arbeiters zu sichern, sondern eine Methode zur Einschätzung dessen, was dieser einzelne Arbeiter mit seiner Arbeit der Arbeiterrepublik einbringt. Folglich muß der Lohn, in Form von Geld oder von Waren, mit der Produktivität der jeweiligen Arbeit in den engstmöglichen Zusammenhang gebracht werden. Diejenigen Arbeiter, die für das allgemeine Interesse mehr tun als andere, erhalten das Anrecht auf einen größeren Anteil am Sozialprodukt als die Faulen, die Sorglosen und die Störenfriede (...)."
Leo Trotzki im Jahr 1920, zitiert nach Paul Mattick, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.331.

Tja, so ändern sich die Zeiten. Galt einst das Bibelwort "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen"  (2. Brief des Paulus an die Thessaloniker, 3,10) als sozialistisches Prinzip, so sind nach Westerwelle heute die Verfechter des "mühelosen Einkommens" (in Form von Hartz IV) die Sozialisten. Ob dem Publikum, das er mit dieser Polemik in erster Linie erreichen will - nämlich die mittelmäßig verdienenden Lohnarbeiter und Steuerzahler aus dem Privatsektor die traditionell eher SPD wählen - damit geholfen ist, dass Westerwelle nun, nach Vorbild des Reichsarbeitsdiensts vor 1935 oder des Civilian Conservation Corps, die Arbeitslosen auf Staatskosten zu "gemeinnützigen Arbeiten" wie Schneeschippen einziehen will?

Februar 20, 2010

Disco Cosmopolis (4): Greeksploitation

Mike Rozakis - La Discothèque aus dem Film She knew no other way (1973)

Oder mit anderen Worten: Le greek, c'est chic!

Februar 19, 2010

Now I've seen everything...

Im Ward-Nekrolog der Fabian Society, den ich gestern hier verlinkt habe, wurde es bereits angeschnitten: die Tories haben im Wahlkampf den Mutualismus für sich entdeckt, und plädieren für eine Art (eingeschränkte) Arbeiter- bzw. Beamtenselbstverwaltung im öffentlichen Dienst. Mehr dazu in der heutigen Ausgabe des Economist: "The conservatives and co-operatives: All Together Now". Vergleiche dazu auch dieses Q&A in der Times.

Februar 18, 2010

Neues zur Lage in Venezuela

Die Studentenproteste von Anfang Januar, die zwei Todesopfer gefordert haben, mögen wieder etwas abgeeppt sein, berichtenswertes gibt es aber immer wieder aus dem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts".

So berichtet die New York Times vom Aufstieg und Fall der Bolibourgeoisie im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise, die Venezuela von allen lateinamerikanischen Staaten am härtesten getroffen hat (via The Devil's Excrement).

Im Economist letzter Woche war über das wachsende institutionelle Zusammenwachsen von Kuba und Venezuela ("Venecuba") zu lesen; mehr hierzu auch beim Caracas Gringo: "The Cubans are spooked".

Bonus: NK Profeta - Sr. Presidente (venezuelanischer Hiphop)

RIP Colin Ward

Am 11. Februar ist mit Colin Ward einer der bekanntesten anarchistischen bzw. mutualistischen Schriftsteller der jüngeren Vergangenheit gestorben. Ein paar ausgewählte Nachrufe:

- Die sozialliberale Fabian Society;
- Jesse Walker auf Reason Hit&Run.

Bonus: Colin Ward - Anarchism as a theory of organization (1966) auf panarchy.org

Februar 16, 2010

Mattick über die Logik des keynesianischen "Staatsinterventionismus"

"Zweifellos steigern die Eingriffe der Regierung die Produktion und erweitern so den Produktionsapparat. Aber wenn ihr Ziel die Stabilisierung der Marktwirtschaft ist, darf die staatlich induzierte Produktion nicht konkurrieren. Würde die Regierung Lebensmittel und langlebige Konsumgüter aufkaufen, um sie zu verschenken, so würde die private Marktnachfrage für diese Produkte gesenkt. Wenn die Unternehmen in öffentlichem Eigentum solche Waren produzieren und anbieten würden, kämen ihre privaten Konkurrenten in Schwierigkeiten, weil sich ihre Anteile an der begrenzten Marktnachfrage verringerten. Die Käufe der Regierung müssen also aus dem Marktsystem herausfallen; die Produktion, die sie erfordern, muß zur Marktproduktion hinzukommen. Die Regierung ist daher vorwiegend an Gütern und Dienstleistungen interessiert, die keinen Platz auf dem Markt haben, d.h. an öffentlichen Arbeiten und öffentlichen Aufwendungen aller Art.
(...)
Die Regierung steigert die 'effektive Nachfrage' durch Käufe von der Privatindustrie, die entweder durch Steuergelder oder durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt finanziert werden. Insoweit sie ihre Ausgaben mit Steuergeldern bestreitet, transferiert sie nur Geld, das im privaten Sektor 'gemacht' wurde, in den öffentlichen Sektor, was den Charakter der Produktion verändern mag, aber sie nicht notwendigerweise erweitert. Mit Hilfe von Anleihen und Defizitfinanzierung kann die Produktion jedoch erweitert werden. Kapital existiert entweder in 'liquider' Form, d.h. als Geld, oder in fixer Form, d.h. als Mittel und Material der Produktion. Das von der Regierung geliehene Geld setzt produktive Ressourcen in Tätigkeit. Diese befinden sich in privater Hand, müssen also, um als Kapital fungieren zu können, reproduziert und erweitert werden. Abschreibungen und Profite, die sich aus der vertraglichen Produktion für die Regierung ergeben, werden - da nicht auf dem Markt realisierbar - mit dem von der Regierung geliehenen Geld 'realisiert'. Aber auch dieses Geld ist Privateigentum - geliehen zu einem bestimmten Zinssatz. Während die Produktion auf diese Weise gesteigert wird, häufen sich ihre Kosten als staatliche Verschuldung an.

Um diese Schulden und die entsprechenden Zinsen abzuzahlen, muß die Regierung Steuergelder aufwenden oder neue Anleihen aufnehmen. Mit anderen Worten: Die von der Regierung 'gekauften' Produkte sind nicht wirklich gekauft, sondern ihr einfach gegeben; denn sie hat im Austausch dafür nichts als ihre Kreditwürdigkeit zu bieten, die wiederum keine andere Grundlage hat als ihre Steuerhoheit und ihre Fähigkeit, das Angebot von Kreditgeld zu erhöhen. Wie immer die Krediterweiterung zustande kommt und wie immer sie im Verlauf einer expandierenden staatlich induzierten Produktion behandelt wird: die öffentliche Verschuldung und ihre Verzinsung können nur aus dem gegenwärtigen und künftigen Einkommen beglichen werden, das im privaten Sektor geschaffen wird. Obgleich brachliegende Produktionskapazitäten durch staatliche Aufträge genutzt werden, sind die auf diese Weise gemachten 'Profite' und das derart 'akkumulierte Kapital' rein rechnerische Größen, die sich auf die öffentliche Verschuldung beziehen. Es handelt sich nicht um wirklich profitbringende neue Produktionsmittel, selbst wenn der materielle Produktionsapparat mit dem Produktionszuwachs wächst. Ein im Verhältnis zur Gesamtproduktion schnelleres Wachstum der staatlich induzierten Produktion bedeutet einen relativen Niedergang der privaten Kapitalbildung. Dieser wird durch das Anwachsen der Produktion auf Staatskosten ausgeglichen, deren 'Profite' die Form von Forderungen an den Staat annehmen. (...)

Die Forderungen an den Staat, welche die öffentliche Verschuldung ausmachen, können natürlich zurückgewiesen werden; in diesem Fall enthüllen sich 'Profite', die mittels staatlich induzierter Produktion erzielt wurden, als das was sie sind, nämlich imaginär. Obwohl das vielleicht eines Tages unvermeidlich sein wird, werden die das private Kapital vertretenden Regierungen diesen Tag so lange wie möglich hinausschieben; besonders weil die Nichtanerkennung der Schulden an sich die Wiederaufnahme einer profitablen Kapitalakkumulation keineswegs garantiert. In der Zwischenzeit werden Einkommen und Schulden langsam aber stetig durch Inflation entwertet, ein Prozeß, der mit der Ausdehnung staatlich induzierter Produktion notwendigerweise verbunden ist."

Mattick, Paul, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.162-164.

Februar 14, 2010

Die Zweispaltung des Keynesianismus

"Es gibt zwei Flügel keynesianischer Wirtschaftstheorie, einen konservativen und einen radikalen. Keynesianische Wirtschaftswissenschaftler, die kein öffentliches Amt haben, empfehlen im allgemeinen eine Steigerung der öffentlichen Arbeiten durch wachsende Staatsausgaben und ein allgemeines Wachstum des Lebensstandards, bis Vollbeschäftigung erreicht ist - selbst wenn dies Staatseingriffe bedeuten würde, wie sie sonst nur unter Kriegsbedingungen vorkommen. Keynesianische Ökonomen mit öffentlichem Amt bekennen sich im allgemeinen ebenfalls zu diesem Ziel, hoffen es aber mit weniger drastischen Maßnahmen zu erreichen, d.h. eher durch eine Stärkung als durch eine Schwächung der Privatwirtschaft. Die 'radikalen' Keynesianer betrachten die Regierung anscheinend als unabhängige und neutrale Macht, die nur mit dem Wohlergehen der Gesellschaft beschäftigt ist und die Fähigkeit besitzt, zu diesem Zweck Maßnahmen zu ergreifen. In Wirklichkeit hat keine Regierung die Absicht, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern, und deshalb wird keine jenen Grad der 'Sozialisierung' verwirklichen, der notwendig ist, um den Traum der 'radikalen' Keynesianer zu erfüllen."
Paul Mattick, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.176-177.

Offensichtlich findet sich diese Zweiteilung auch in der luxemburgischen Parteienlandschaft wieder: die Mehrheitsparteien und diejenigen Parteien, die realistische Chancen haben, an einer Regierung beteiligt zu werden, sind in diesem Sinne "konservative" bzw. "gemäßigte" Keynesianer, Déi Lénk insbesondere haben die Rolle der "radikalen" Keynesianer übernommen, nicht zuletzt deswegen, weil sie es sich mangels Perspektive einer realen Herrschaftsausübung noch erlauben können.

(Im Buch von Mattick findet sich derart viel food for thought, dass ich hier in den kommenden Tagen noch mehrmals Auszüge daraus bringen werde.)

Februar 13, 2010

Februar 08, 2010

Die Abenteuer der Linken auf der Suche nach neuen Wählerschichten

"Was die SWP in England kann, können wir schon lange" mag sich die "Neue antikapitalistische Partei" Olivier Besancenots gedacht haben, und stellt anlässlich der demnächst stattfindenden Regionalwahlen eine Kandidatin auf, deren einzige Qualität darin zu bestehen scheint, ein Kopftuch zu tragen (offenbar ist sie, analog zu Sarrazins "Kopftuchmädchen", damit geboren worden). Diese Entscheidung hat jedoch nicht gerade zu Begeisterungsstürmen geführt. U.a. rief sie scharfe Kritik seitens der iranischen arbeiterkommunistischen Partei hervor.

Die Damen Wagenknecht, Buchholz und Dagdelen von der deutschen "Linkspartei" haben hingegen für ihre an sich ehrliche und konsequente Entscheidung nach der Ansprache von Shimon Peres sitzen zu bleiben, Beifall erhalten, wenngleich dieser ihnen doch etwas peinlich sein sollte. Nun gut, war auch nicht das erste Mal; sowas kommt wohl auch davon, wenn man ständig mit dem "Primat der Politik" ins Feld zieht, eine Formel, auf die doch wohl die NPD das Urheberrecht hat.

Die Luxemburger Linke ihrerseits versucht mit der Belegung des Themas "Diekircher Brauerei" ein paar Stimmen auf den Stammtischen gutzumachen. "Wir befinden uns nicht länger in der Logik des Industriekapitalismus, sondern in der des Finanzkapitalismus" erschrickt Marc Baum, Vertreter von "Déi Lénk" im Escher Gemeinderat (Luxemburger Wort, 3.2.10). Diesbezüglich schlägt "Déi Lénk" vor, sollte der "Deal mit Bofferding nicht klappe[n]" (d.h. die von der Regierung vorgezogene Lösung, den internationalen Konzentrationstendenzen im Brauereigewerbe, durch die Schaffung eines nationalen Monopolisten entgegen zu wirken, indem man die schon das seit Jahrzehnten von Bofferding verfolgte Ziel einer feindlichen Übernahme von Diekirch staatlich subventioniert), der Staat solle "im allgemeinen Interesse" AB Inbev "enteignen", und nach dem Vorbild der Baden-Württemberger Rothaus-Staatsbrauerei selbst zum Braumeister werden (tageblatt vom 3.2.10). Was für ein Interesse der Luxemburger Staat hieran hätte (Wirtschaftsminister Krecké winkte ja schon gleich ab), wie er den Vertrieb und das ganze Konzessionswesen organisieren würde, wird von den Linken nicht weiter erläutert - offenbar geht man hier davon aus, dass dies schon von selber funktionieren würde, falls der allwissende, alleskönnende und stets wohlintentionierte Papa Staat dies in die Hand nimmt. Hauptsache, der Staat greift ein, um das "nationale " Industriekapital vor dem "internationalen" Finanzkapital zu schützen - so lautet die Quintessenz linken Denkens im Jahre 2010. Wieso allerdings das "allgemeine Interesse" an einer Bierbrauerei grösser sein soll, als bei den zahlreichen anderen Betrieben, die derzeit schliessen oder in grösserem Ausmass Leute entlassen (General Electrics IP, Commerzbank, Fastnet, Brinks et j'en passe...), will mir hingegen nicht einleuchten...

Februar 07, 2010

Disco Cosmopolis (2): Komm mit ins Boogie-Wunderland

Earth, Wind and Fire - Boogie Wonderland (1979)

Februar 06, 2010

146 Jahre John Henry Mackay

Als nächstem in der Reihe der libertären "Geburtstagskinder" widmen wir uns heute dem Stirner-Popularisierer, Individualanarchisten und Skandalautor John Henry Mackay. Hier ein Auszug aus seinem Roman Der Freiheitssucher von 1921 (integral einzusehen auf Projekt Gutenberg-DE), eine Art Glaubensbekenntnis aus dem zehnten und letzten Kapitel:

"Was läßt sich inzwischen tun gegenüber dieser so festgegründeten, nach allen Richtungen hin ausgebauten und scheinbar so unbezwinglichen Gewalt des Staates?
Viel. – Unendlich viel.
Vor allem dies: sich selbst dieser Gewalt entziehen; nicht mitmachen; beiseitestehen.
Denn nicht nur auf das, was ein Mensch tut, kommt es an, sondern oft noch weit mehr auf das, was er unterläßt.
Sich nicht an die Krippe des Staates drängen, als sei sie die einzige Futterstelle; keine »Ehre« darin suchen, einer so verächtlichen Institution, wie er, der Staat, es ist, zu dienen, sondern es als eine Schande betrachten, seine Kraft und Hilfe in den Dienst einer so schlechten Sache zu stellen; auf jede solche, nur mit der eigenen Entwürdigung erkaufte, sogenannte »gesicherte Lebensstellung« verzichten, wie auf alle diese lächerlichen Titel, Orden und Auszeichnungen; vor der Obrigkeit und ihren Organen nicht bei jeder Gelegenheit kriechen und betteln, um sie so in ihrem Hochmutsdünkel auch noch zu bestärken, sondern ihnen entgegentreten, wie anderen Menschen auch, und von ihnen verlangen, anständig behandelt zu werden; nicht in der Ehe, sondern in freien Bündnissen, in gesonderten Haushaltungen und daher unangreifbar gegen jede freche Einmischung von außen, sein Glück suchen und finden; seine Kinder selbst unterrichten oder von selbstgewählten und selbstbezahlten Kräften unterrichten lassen, statt sie fremden Händen auszuliefern, und ihnen von früh auf zeigen, in welcher Welt sie lebten und in welcher sie leben sollten; dem Staat und ebenso der Gemeinde ihre Steuern nicht hintragen, sondern sie sich holen lassen und erst im äußersten Notfall (und dann auch noch unter immer wiederholtem Protest) bezahlen; die Existenz dieses Staates und dieser Gemeinden negieren und sie nur in Anspruch nehmen, wenn das eigene Interesse es gebieterisch erforderte – mit einem Wort: dem Angreifer und seinen Helfershelfern bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Leben so sauer wie nur möglich machen, ihn ärgern, ermüden, enervieren durch Sabotage und passive Resistenz, wo es nur ging – so durch das eigene Leben ein stilles, und eindringliches Beispiel geben, daß es ging, wenn man nur wollte; das und noch manches andere konnte jeder tun, und konnte es schon heute!

Aber der Arbeiter, wurde er gefragt, was konnte der Arbeiter tun, der keine Steuern zahlte, weil er kein Einkommen hatte, das der Besteuerung wert gewesen wäre, und der daher auch keine Steuern verweigern konnte?
Ebenfalls viel.
Alles, was Politik hieß, perhorreszieren; keine politische Partei durch seinen Beitritt stärken; keiner wie immer gearteten Führerschaft Gefolge leisten; sich jeder Wahl enthalten und unter Protest gegen den ganzen Wahlschwindel; die eigene Lage und das, worauf es allein ankam, endlich begreifen lernen – begreifen, daß es besser war, statt darüber zu reden, ob statt zehn nur acht Stunden gearbeitet werden solle, einen Zustand zu erkennen, in dem nur zwei oder drei Stunden gearbeitet zu werden brauchte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen – mit einem Wort: begreifen, daß die soziale Frage keine politische, sondern eine soziale Frage war und daß sie deshalb so hieß; und daß er, der Arbeiter, eine Waffe besaß, die an der rechten Stelle und zur rechten Zeit, überlegen und klug angewandt, ihn unbesiegbar machte – den Streik.
Dies alles und vieles andere konnte getan werden, wenn es nur getan werden wollte: die Bücher und Flugschriften der Literatur dieser Weltanschauung des individualistischen Anarchismus – (und welche Weltanschauung hatte in den drei Kultursprachen, der französischen, der englischen, der deutschen eine solche Literatur!) – diese in die Ecke gedrückte, überall totgeschwiegene, verfemte Literatur, konnte verbreitet werden, unablässig und überallhin, wo es nur ging; wer reden konnte, mochte reden; wer schreiben, schreiben; und wer nicht selbst bauen konnte, sollte wenigstens helfen, Steine zum Bau herbeizutragen, um so die Mittel zu schaffen, ihn zu vollenden. Und der Einzelne bei allem immer neue Kraft aus dem Gedanken schöpfen, daß die Sache der Freiheit seine Freiheit war und die eigene Befreiung der Lohn für alle Mühen. Würde so, dort wie hier, gehandelt werden, – wahrlich! – der Tag konnte nicht mehr fern sein, wo das soziale Problem seiner tatsächlichen Lösung entgegenging, statt, wie heute, nur erst als Forderung auf dem Papier zu stehen.

Denn wenn es eine Utopie gab, so war es die Utopie der Gewalt. »Utopisten« schalten die Feinde der Freiheit deren Freunde.
Aber nicht die Freiheit, sondern die Gewalt war eine Utopie – ein auf die Dauer unhaltbarer und unmöglicher Zustand der menschlichen Gesellschaft.
Die paar Jahrtausende der Menschheitsgeschichte, die sich übersehen ließen, von ihren barbarischen Urzuständen an bis herauf zu den, leider in vielem noch ebenso barbarischen Zuständen unserer Tage – was waren sie anders, als ein unausgesetzter Kampf um die Gewalt? – als ein ewiger Wechsel dieser Gewalt zu immer neuen Formen ohne die Möglichkeit, sich in einer von ihnen ständig zu behaupten – was waren sie anders als ein vergeblicher Kampf? –
Was waren sie anders, als ein Kampf der Freiheit eben gegen diese Gewalt, der Kampf der einen um ihre Freiheit gegen die Unterdrückungsversuche der anderen? –
Und was waren sie anders, als ein steter, wenn auch langsamer Sieg der Freiheit und ein immer neues Unterliegen der Gewalt? –
Denn die Freiheit war die Siegerin und mußte es sein, weil sie der natürliche Zustand der Gesellschaft war, der einzige, der endlich nach den endlosen Kämpfen von Dauer sein würde.
Die Gewalt war die Utopie, und alle Versuche, ihren Zustand zu einem dauernden zu machen, ein immer neuer Fehlschlag der Feinde der Freiheit, und diese ihre Feinde, nicht ihre Freunde, in Wahrheit – Utopisten!"

Bonus: Aafje Heynis singt Richard Strauss' Vertonung von Mackays Gedicht Morgen!
 

Februar 03, 2010

101 Jahr Simone Weil

Anlässlich des heutigen Geburtstags von Simone Weil und zum Ende des Jubiläumsjahres, das uns hier in Luxemburg auch eine nicht uninteressante Konferenz von Laure Adler beschert hat, ein paar Zeilen der französischen Philosophin über die Wissenschaft als Dorf und Orakel aus dem vergleichsweise obskuren Text "Réflexions à propos de la théorie de quanta" (1942; enthalten in Sur la science, 1966):

"On sort rarement du village; beaucoup de savants, leur spécialité mise à part, sont bornés et peu cultivés, ou, s'ils s'intéressent à quelque chose en dehors de leur travail scientifique, il est très rare qu'ils mettent cet intérêt en relation, dans leur esprit, avec celui qu'ils portent à la science. Les habitants du village sont enclins à l'étude, brillants, exceptionnellement doués; mais enfin, jusqu'à un âge où l'esprit et le caractère sont en grande partie formés, ils sont au lycée comme les autres et se nourrissent de manuels médiocres. Jamais nul ne s'est particulièrement attaché à développer leur esprit critique. À aucun moment de leur vie on ne les prépare particulièrement à mettre le pur amour de la vérité au-dessus des autres mobiles; nul mécanisme d'élimination ne fait d'une disposition naturelle en ce sens une condition de l'entrée dans le village. Il y a des mécanismes d'élimination, au nombre desquels les examens et concours, mais ils ne portent pas sur l'intensité ou la pureté de l'amour pour la vérité. Cet amour, le goût de l'exactitude et du travail bien fait, le désir de faire parler de soi, la convoitise de l'argent, de la considération, de la réputation, des honneurs, des titres, les antipathies, les jalousies, les amitiés, tous ces mobiles et d'autres encore se mélangent chez les habitants de ce village, comme chez tous les hommes, en proportion variable. Ce village, comme tous les autres villages, est fait d'humanité moyenne, avec quelques écarts vers le haut et vers le bas. Il a des traits singuliers; ainsi le fait d'être périodiquement bouleversé par les changements de mode; tous les dix ans à peu près une génération nouvelle s'y enthousiasme pour de nouvelles opinions. Comme ailleurs, la lutte des générations et des personnes y produit à chaque moment une opinion moyenne. L'état de la science à un moment donné n'est pas autre chose; c'est l'opinion moyenne dans le village des savants. (...)
 
Il n'est donc pas vrai que la science soit une espèce d'oracle surnaturel, source de sentences différentes, certes, d'année en année, mais nécessairement: de plus en plus sages. Car c'est ainsi qu'on se la représente communément aujourd'hui, et l'ivresse que nous éprouvons à crier  'La Science dit que...' n'est même pas refroidie par la certitude qu'elle ne le dira plus dans cinq ans. On croirait - cet égard comme à plusieurs autres - que l'actualité a pour nous valeur d'éternité. Valéry lui-même a parlé plus d'une fois de la science conformément à la superstition commune. Quant aux savants, ils sont, bien entendu, les premiers à faire passer leurs propres opinions pour des sentences dont ils ne seraient pas responsables, dont ils n'auraient à rendre aucun compte, émanées d'un oracle. Cette prétention n'est pas tolérable, car elle n'est pas légitime. Il n'y a aucun oracle, mais seulement les opinions des savants, lesquels sont des hommes. Ils affirment ce qu'ils croient devoir affirmer, en quoi ils ont raison, mais ils sont eux-mêmes les auteurs responsables de tout ce qu'ils affirment, et ils en doivent compte. Ils ne rendent pas ce compte; mais ils ont tort; ils se font tort d'abord à eux-mêmes, car ils ne le rendent pas non plus à eux-mêmes."

Februar 02, 2010

La Chambre s'amuse...

[M. Michel Wolter (CSV):] Mir vun der CSV ënnerstëtzen déi Politik, déi d'Regiirung gemaach huet, 2009-2010 wëlles huet, ze maachen, well mer bewosst an eng gewësse Richtung wëlle goen. Mir maachen eis awer näischt vir. Mir wëssen, dass se net strukturell ass, déi dote Politik. Mir wëssen, dass et eng konjonkturell Politik ass.

Et ass pure Keynes, dee mer maachen. Et ass pure Keynes. Mir maachen...

Plusieurs voix.- Kéis?

Plusieurs voix.- Keynes!

M. Michel Wolter (CSV).- Jo, dat ass nees Äre Problem.

(Interruptions et hilarité)

Neen. Här Bettel, dat ass nees Äre Problem, dass der Är Klassiker net emol kennt.

M. Xavier Bettel (DP).- Ech kennen den Här Keynes, mä Dir schwätzt vu Kéis. Ech hat geduecht, Dir géift direkt schonn d'Regierung hei beuerteelen.

(Compte rendu des séances publiques de la Chambre des Députés. 13e séance; mercredi, 9 décembre 2009, pg. 160).