"Es gibt zwei Flügel keynesianischer Wirtschaftstheorie, einen konservativen und einen radikalen. Keynesianische Wirtschaftswissenschaftler, die kein öffentliches Amt haben, empfehlen im allgemeinen eine Steigerung der öffentlichen Arbeiten durch wachsende Staatsausgaben und ein allgemeines Wachstum des Lebensstandards, bis Vollbeschäftigung erreicht ist - selbst wenn dies Staatseingriffe bedeuten würde, wie sie sonst nur unter Kriegsbedingungen vorkommen. Keynesianische Ökonomen mit öffentlichem Amt bekennen sich im allgemeinen ebenfalls zu diesem Ziel, hoffen es aber mit weniger drastischen Maßnahmen zu erreichen, d.h. eher durch eine Stärkung als durch eine Schwächung der Privatwirtschaft. Die 'radikalen' Keynesianer betrachten die Regierung anscheinend als unabhängige und neutrale Macht, die nur mit dem Wohlergehen der Gesellschaft beschäftigt ist und die Fähigkeit besitzt, zu diesem Zweck Maßnahmen zu ergreifen. In Wirklichkeit hat keine Regierung die Absicht, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern, und deshalb wird keine jenen Grad der 'Sozialisierung' verwirklichen, der notwendig ist, um den Traum der 'radikalen' Keynesianer zu erfüllen."
Paul Mattick, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.176-177.
Offensichtlich findet sich diese Zweiteilung auch in der luxemburgischen Parteienlandschaft wieder: die Mehrheitsparteien und diejenigen Parteien, die realistische Chancen haben, an einer Regierung beteiligt zu werden, sind in diesem Sinne "konservative" bzw. "gemäßigte" Keynesianer, Déi Lénk insbesondere haben die Rolle der "radikalen" Keynesianer übernommen, nicht zuletzt deswegen, weil sie es sich mangels Perspektive einer realen Herrschaftsausübung noch erlauben können.
(Im Buch von Mattick findet sich derart viel food for thought, dass ich hier in den kommenden Tagen noch mehrmals Auszüge daraus bringen werde.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen