Februar 16, 2010

Mattick über die Logik des keynesianischen "Staatsinterventionismus"

"Zweifellos steigern die Eingriffe der Regierung die Produktion und erweitern so den Produktionsapparat. Aber wenn ihr Ziel die Stabilisierung der Marktwirtschaft ist, darf die staatlich induzierte Produktion nicht konkurrieren. Würde die Regierung Lebensmittel und langlebige Konsumgüter aufkaufen, um sie zu verschenken, so würde die private Marktnachfrage für diese Produkte gesenkt. Wenn die Unternehmen in öffentlichem Eigentum solche Waren produzieren und anbieten würden, kämen ihre privaten Konkurrenten in Schwierigkeiten, weil sich ihre Anteile an der begrenzten Marktnachfrage verringerten. Die Käufe der Regierung müssen also aus dem Marktsystem herausfallen; die Produktion, die sie erfordern, muß zur Marktproduktion hinzukommen. Die Regierung ist daher vorwiegend an Gütern und Dienstleistungen interessiert, die keinen Platz auf dem Markt haben, d.h. an öffentlichen Arbeiten und öffentlichen Aufwendungen aller Art.
(...)
Die Regierung steigert die 'effektive Nachfrage' durch Käufe von der Privatindustrie, die entweder durch Steuergelder oder durch Anleihen auf dem Kapitalmarkt finanziert werden. Insoweit sie ihre Ausgaben mit Steuergeldern bestreitet, transferiert sie nur Geld, das im privaten Sektor 'gemacht' wurde, in den öffentlichen Sektor, was den Charakter der Produktion verändern mag, aber sie nicht notwendigerweise erweitert. Mit Hilfe von Anleihen und Defizitfinanzierung kann die Produktion jedoch erweitert werden. Kapital existiert entweder in 'liquider' Form, d.h. als Geld, oder in fixer Form, d.h. als Mittel und Material der Produktion. Das von der Regierung geliehene Geld setzt produktive Ressourcen in Tätigkeit. Diese befinden sich in privater Hand, müssen also, um als Kapital fungieren zu können, reproduziert und erweitert werden. Abschreibungen und Profite, die sich aus der vertraglichen Produktion für die Regierung ergeben, werden - da nicht auf dem Markt realisierbar - mit dem von der Regierung geliehenen Geld 'realisiert'. Aber auch dieses Geld ist Privateigentum - geliehen zu einem bestimmten Zinssatz. Während die Produktion auf diese Weise gesteigert wird, häufen sich ihre Kosten als staatliche Verschuldung an.

Um diese Schulden und die entsprechenden Zinsen abzuzahlen, muß die Regierung Steuergelder aufwenden oder neue Anleihen aufnehmen. Mit anderen Worten: Die von der Regierung 'gekauften' Produkte sind nicht wirklich gekauft, sondern ihr einfach gegeben; denn sie hat im Austausch dafür nichts als ihre Kreditwürdigkeit zu bieten, die wiederum keine andere Grundlage hat als ihre Steuerhoheit und ihre Fähigkeit, das Angebot von Kreditgeld zu erhöhen. Wie immer die Krediterweiterung zustande kommt und wie immer sie im Verlauf einer expandierenden staatlich induzierten Produktion behandelt wird: die öffentliche Verschuldung und ihre Verzinsung können nur aus dem gegenwärtigen und künftigen Einkommen beglichen werden, das im privaten Sektor geschaffen wird. Obgleich brachliegende Produktionskapazitäten durch staatliche Aufträge genutzt werden, sind die auf diese Weise gemachten 'Profite' und das derart 'akkumulierte Kapital' rein rechnerische Größen, die sich auf die öffentliche Verschuldung beziehen. Es handelt sich nicht um wirklich profitbringende neue Produktionsmittel, selbst wenn der materielle Produktionsapparat mit dem Produktionszuwachs wächst. Ein im Verhältnis zur Gesamtproduktion schnelleres Wachstum der staatlich induzierten Produktion bedeutet einen relativen Niedergang der privaten Kapitalbildung. Dieser wird durch das Anwachsen der Produktion auf Staatskosten ausgeglichen, deren 'Profite' die Form von Forderungen an den Staat annehmen. (...)

Die Forderungen an den Staat, welche die öffentliche Verschuldung ausmachen, können natürlich zurückgewiesen werden; in diesem Fall enthüllen sich 'Profite', die mittels staatlich induzierter Produktion erzielt wurden, als das was sie sind, nämlich imaginär. Obwohl das vielleicht eines Tages unvermeidlich sein wird, werden die das private Kapital vertretenden Regierungen diesen Tag so lange wie möglich hinausschieben; besonders weil die Nichtanerkennung der Schulden an sich die Wiederaufnahme einer profitablen Kapitalakkumulation keineswegs garantiert. In der Zwischenzeit werden Einkommen und Schulden langsam aber stetig durch Inflation entwertet, ein Prozeß, der mit der Ausdehnung staatlich induzierter Produktion notwendigerweise verbunden ist."

Mattick, Paul, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.162-164.

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