Januar 27, 2009

Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen? (Number two in a series)

Wir haben im ersten Teil feststellen müssen, dass Marx im zweiten Band des Kapitals den unterkonsumtionstheoretischen Ansatz zur Erklärung des Auftreten von Krisen in einer kapitalistischen Marktwirtschaft selber kritisiert, obwohl er z.B. im dritten Band einen ähnlichen Ansatz vertritt. Engels benutzt diese Passage in seiner Edition des zweiten Bandes auch um gegen Rodbertus zu polemisieren (Karl Johann Rodbertus-Jagetzow, Staatssozialist preussischer Prägung, 1848 kurz Kultur- und Bildungsminister; im Zusammenhang der Unterkonsumtionstheorie ist insbesondere Rodbertus' "Gesetz der fallenden Lohnquote" interessant).
Das Zitat aus Kapital II entstammt dem sogenannten "Manuskript VIII", das mithin zu den spätesten Beiträgen von Marx zum Kapital-Komplex gehört, und Ende der 1870er Jahre, d.h. am Ausgang der von der Krise des Jahres 1873 ausgelösten Depressionsphase, geschrieben wurde. Engels hat nach Marx' Tod aus verschiedenen Manuskripten, die über einen Zeitraum von 13 Jahren (1868-1881) verfasst wurden, den zweiten Band zusammengestellt; gerade die Integration des Manuskripts VIII hat ihm dabei einige Mühe bereitet:
"Die Hauptmasse des Materials war, wenn auch grösstenteils sachlich, so doch nicht sprachlich fertig ausgearbeitet; (...) nachlässiger Stil, familiäre, oft derbhumoristische Ausdrücke und Wendungen, englische und französische technische Bezeichnungen, oft ganze Sätze und selbst Seiten englisch; (...). Auch dies Manuskript [VIII] ist nur eine vorläufige Behandlung des Gegenstands, bei der es vor allem darauf ankam, die gewonnenen neuen Gesichtspunkte gegenüber Manuskript II festzustellen und zu entwickeln (...)." (Kapital Band II, wie unten, Vorwort Engels, S.7, 12).
Trotz der festgestellten "neuen Gesichtspunkte" findet man in Engels' Edition ebenfalls noch Stellen, die einem unterkonsumtionstheoretischen Ansatz verhaftet sind (so in Fussnote 38 über die Begrenzung der Realisation des Warenkapitals und somit des "Mehrwerts"durch "die konsumtiven Bedürfnisse einer Gesellschaft, wovon die grosse Mehrzahl stets arm ist und arm bleiben muss"; Engels zitiert nach Manuskript II von 1870). Seit neuestem (allerdings bei einem Preis von 168€ für die breite Masse unerschwinglich) sind übrigens auch die verschiedenen Manuskripte von Marx zum zweiten Band in Form des Bandes II/11 der Marx-Engels-Gesamtausgabe erhältlich.
Die hier zitierten Auszüge lassen jedenfalls darauf schliessen, dass Marx' Beobachtungen zur 1873er Krise ihn zu einer Revision seiner früheren Krisentheorie veranlasst haben, die er jedoch nicht mehr in druckfertiger Form fertigstellen konnte, vielleicht auch nicht wollte. Die wenigsten marxistischen Interpreten der marxschen Krisentheorie waren aber bereit diesen Bruch deutlich zu machen, und von verschiedenen, durchaus widersprüchlichen, krisentheoretischen Ansätzen bei Marx auszugehen. Michael Heinrich bemerkt hierzu:
"In der Diskussion wurde zwar schon frühzeitig anerkannt [beim unten genannten Eduard Bernstein z.B.], dass die Marxsche Krisentheorie nicht nur unfertig ist, sondern dass auch inhaltlich divergierende Ansätze vorliegen. Häufig wurde dann aber doch versucht, diese verschiedenen Äusserungen zu einer einzigen Theorie zu vereinheitlichen, oder es wurde eine Argumentationsfigur herausgegriffen und erklärt, hier liege die authentische Marxsche Krisentheorie vor, an der dann die übrigen Äusserungen gemessen wurden. Eine einfache 'Addition' der verschiedenen krisentheoretischen Passagen zu einer einzigen Theorie scheint aufgrund der enormen inhaltlichen Unterschiede auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt zu sein." (Michael Heinrich, Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition, 4. korr. Auflage, Münster, 2006, S.342). (wird fortgesetzt)

Januar 26, 2009

The Deviants


Ich entdecke dieser Tage die drei Sechziger-Jahre-Alben der Deviants. Es ist überaus erstaunlich, dass mir diese Band bis vor kurzem völlig unbekannt war; diffus anarchistischer Proto-Punk/Psychedelic Rock-Mischmasch, inklusive an die Situationisten angelehnte Entwendung und Verfremdung der Ästhetik der Konsumgesellschaft der damaligen Zeit (Werbung, Erotikheftchen, Marvel Comics und B-Movies). Sex Pistols zehn Jahre vor den Sex Pistols, quoi. Die Musik ist dabei fast Nebensache.

Mehr Infos findet man hier.

Da die Deviants nie bei Top of the Pops, Musikladen, Disco usw. aufgetreten sind, findet man auch keine bewegten Bilder auf Youtube.
Hier hat aber jemand die Coverversion von Papa Oo Mao Mao vom zweiten Album zur Untermalung seines politischen Plädoyers benutzt (das folgende Video ist im Gebiet der Volksrepublik China gesperrt):



Januar 25, 2009

Platz 4 - Zwei Videos

Mehr ein Glam-/Prog-Hybridding, diesmal. Die frühen Roxy Music (mit Brian Eno):

Roxy Music - Ladytron



Roxy Music - Virginia Plain


Januar 22, 2009

Students on the move... again

Eine Fotoauswahl von den Studentenprotesten in Venezuela gegen die Möglichkeit der unbegrenzten Wiederwahl des Staatspräsidenten:















Mehr Fotos vom 20. Januar hier und hier.
Mehr vom 14. Januar hier und hier.

Januar 18, 2009

Kann Marx zum Verständnis der aktuellen Wirtschaftskrise beitragen? (Number one in a series)

"Marx ist wieder hip" schreibt der Züricher Blick, "selbst Manager fragen sich plötzlich: Hatte Karl Marx etwa doch Recht?". Die Massen reißen sich um Neuausgaben des ersten Bandes des Kapital, und erhoffen sich dadurch eine allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, kurz eine Erklärung für unerklärliche Zustände geliefert zu kriegen.
Allerdings kann man sich fragen, worin diese geniale Enthüllungsarbeit Marx' eigentlich bestanden haben soll. In der recht banalen Feststellung, dass es im Kapitalismus mehr oder weniger regelmäßig Krisen gibt?
Ich will im folgenden auf diesem Blog gelegentlich (wenn ich Lust und Zeit dazu finde) auf die Frage eingehen, ob die Lektüre von Marx tatsächlich etwas zum Verständnis der Finanz- und Wirtschaftskrise beitragen kann.

Fangen wir mit einem Zitat aus dem dritten Band des Kapital (nach der Erstausgabe Hamburg, 1894, S.501) an: "Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde."
Jeder Gewerkschafter sieht sich bestätigt und freut sich: schuld an der Krise ist letztlich also die Lohndrückerei der Arbeitgeberverbände.
Jedoch schreibt Marx im zweiten Band des Kapital (2. Auflage, Hamburg, 1893, S.409-410):

"Jede Krise vermindert die Luxuskonsumtion momentan; sie [...] wirft damit einen Teil der Luxusarbeiter aufs Pflaster, während sie andrerseits den Verkauf der notwendigen Konsumtionsmittel eben dadurch auch ins Stocken bringt und verringert. Ganz abgesehn von den gleichzeitig abgedankten, unproduktiven Arbeitern, die für ihre Dienste einen Teil der Luxusausgabe der Kapitalisten empfangen (diese Arbeiter selbst sind pro tanto Luxusartikel) und die sich sehr stark beteiligen namentlich auch an der Konsumtion notwendiger Lebensmittel etc. Umgekehrt in der Prosperitätsperiode, und namentlich während der Zeit ihrer Schwindelblüte – wo schon aus andren Gründen der relative, in Waren ausgedrückte Wert des Geldes fällt (ohne wirkliche sonstige Wertrevolution), also der Preis der Waren, unabhängig von ihrem eignen Wert, steigt. Nicht nur steigt die Konsumtion notwendiger Lebensmittel; die Arbeiterklasse (in die nun ihre ganze Reservearmee aktiv eingetreten) nimmt auch momentanen Anteil an der Konsumtion ihr sonst unzugänglicher Luxusartikel, außerdem auch an der Klasse der notwendigen Konsumtionsartikel, die sonst zum größten Teil »notwendige« Konsumtionsmittel nur für die Kapitalistenklasse bildet, was seinerseits eine Steigerung der Preise hervorruft.

Es ist eine reine Tautologie zu sagen, daß die Krisen aus Mangel an zahlungsfähiger Konsumtion oder an zahlungsfähigen Konsumenten hervorgehn. Andre Konsumarten als zahlende kennt das kapitalistische System nicht, ausgenommen die sub forma pauperis oder die des »Spitzbuben«. Daß Waren unverkäuflich sind, heißt nichts, als daß sich keine zahlungsfähigen Käufer für sie fanden, also Konsumenten (sei es nun, daß die Waren in letzter Instanz zum Behuf produktiver oder individueller Konsumtion gekauft werden). Will man aber dieser Tautologie einen Schein tiefrer Begründung dadurch geben, daß man sagt, die Arbeiterklasse erhalte einen zu geringen Teil ihres eignen Produkts, und dem Übelstand werde mithin abgeholfen, sobald sie größern Anteil davon empfängt, ihr Arbeitslohn folglich wächst, s0 ist nur zu bemerken, daß die Krisen jedesmal gerade vorbereitet werden durch eine Periode, worin der Arbeitslohn allgemein steigt und die Arbeiterklasse realiter größern Anteil an dem für Konsumtion bestimmten Teil des jährlichen Produkts erhält. Jene Periode müßte – von dem Gesichtspunkt dieser Ritter vom gesunden und »einfachen« (!) Menschenverstand – umgekehrt die Krise entfernen. Es scheint also, daß die kapitalistische Produktion vom guten oder bösen Willen unabhängige geringen Teil ihres eignen Produkts, und dem Übelstand werde mithin abgeholfen, sobald sie größern Anteil davon empfängt, ihr Arbeitslohn folglich wächst, so Bedingungen einschließt, die jene relative Prosperität der Arbeiterklasse nur momentan zulassen, und zwar immer nur als Sturmvogel einer Krise."

Nun steht diese (empirisch nicht haltbare) Feststellung, dass lediglich im Vorfeld einer Krise die Löhne ansteigen können, ja ganz offensichtlich im Widerspruch zum oben zitierten Satz aus dem dritten Band des Kapital, wo Marx eine Unterkonsumtionstheorie in der Tradition Sismondis entwickelt (ein Widerspruch, der bereits Eduard Bernstein aufgefallen ist, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart, 1899, S.67). Es ist also zunächst festzustellen, dass Marx noch nicht mal innerhalb der drei Bände des Kapitals eine einheitliche Krisentheorie vertritt. (wird fortgesetzt)

Platz 5

Sparks - This town ain't big enough for both of us



Bonus
Nicht allzu bekannt ist, dass auch AC/DC als Glam Rock-Band angefangen hat; hier das Video zu Can I sit next to you girl, mit Dale Evans als Leadsänger:

Januar 17, 2009

Tanz den Hamas

Also, für eine islamische Bewegung für die insbesondere westliche Musik im wesentlichen Teufelszeug ist, produziert die Hamas durchaus dancefloor-taugliche Ohrwürmer. Zwei Beispiele:



Januar 15, 2009

Happy Birthday


15 January 1809 – 19 January 1865

Januar 11, 2009

Libertäre Presse

Die Nummer 55 des Libertario aus Venezuela ist erschienen. Hübsches Cover, interessante Artikel (auch wenn man des spanischen, so wie ich, nur ansatzweise mächtig ist), ein paar nett gemachte Comics:
http://www.nodo50.org/ellibertario/libertarios/libertario55.html

Eine "Demoversion" der ALLiance (neue Zeitschrift der Alliance of the Libertarian Left) findet man hier.

Platz 6

Mud - Dynamite

Januar 10, 2009

Marx hat alles vorhergesehen

"Citing Karl Marx, who presaged: "The owners of capital will stimulate the need of the working class to take expensive, collateral loans to buy their condos, houses and technological products; and, at the end, these unpaid debts will result in the nationalization of the banks upon their bankrupcy, and so the state will be on the pathway to communism (...)"

Hier der Originalkontext (Achtung: Satire!).

Januar 04, 2009

Platz 7

T.Rex - Bang a Gong (Get it on)