Dezember 31, 2009

Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen



A propos: Im Solaren Imperium Perry Rhodans wird 2010 auf der Erde dank arkonidischer Technik die globale Wetterkontrolle eingeführt (laut Perry Rhodan-Band 60: K.H. Scheer, Festung Atlantis, erschienen 1962). Weniger hübsch sind die Perspektiven für 2010 im Film Absolon mit Christopher Lambert (2003): dort wird die Hälfte der Menschheit durch ein tödliches Virus hinweg gerafft.

Dezember 30, 2009

In defense of Progressive Rock (14): Gastbeitrag von Alicia Keys

"Keith Emerson is the greatest thing I discovered this year. I have heard him before, but I stumbled on this clip on YouTube and really discovered him. Musically, he's mean, and he takes all of the classical sound that I love and he freaks it and he flips it on all these crazy sounds, and... I'm into him. That clip is from 1971. I watched him play organs backwards and fly up on pianos, and the piano flips around, and I swear I'm gonna do a couple o' those tricks on my next tour.  It's crazy! It's unbelievable. It's one thing to play with the keyboard the right way up, but to play that way is a total different monster. That's crazy!"
(aus Mojo, 194, Januar 2010).



Dezember 27, 2009

Joseph Déjacque und die Erfindung des Worts "libertär"

Anlässlich des 188. Geburtstags des französischen Anarchisten Joseph Déjacque wollen wir uns heute dem Ursprung des Wortes "libertär" widmen, als dessen Urheber Déjacque gemeinhin gilt. In einem 1972 in der Zeitschrift Economie et société erschienenen Artikel erläutert Valentin Pelosse die Schaffung der Neologismen "libertär" und "Libertarismus" (bzw. auf französisch "libertaire" und "libertarisme") bei Déjacque. Zuerst habe Déjacque den Begriff "libertär" in Opposition zu "liberal" in seiner Kritik an Proudhons Misogynie De l'être humain mâle et femelle. Lettre à P.J. Proudhon (1857) benutzt, in dem er Proudhon vorwirft, Freiheit im Handel, aber Protektionismus zwischen Mann und Frau zu vertreten:
"Anarchiste juste-milieu, libéral et non LIBERTAIRE, vous voulez le libre échange pour le coton et la chandelle, et vous préconisez des systèmes protecteurs de l'homme contre la femme, dans la circulation des passions humaines ; vous criez contre les hauts barons du capital, et vous voulez réédifier la haute baronie du mâle sur la vassale femelle ; logicien à bésicles, vous voyez l'homme par la lunette qui grossit les objets, et la femme par le verre qui les diminue ; penseur affligé de myopie, vous ne savez distinguer que ce qui vous éborgne dans le présent ou dans le passé, et vous ne pouvez rien découvrir de ce qui est à hauteur et à distance, ce qui perspective de l'avenir : vous êtes un infirme !" (den ganzen Text findet man hier).

Ich muss jedoch sagen, dass ich in diesem Zusammenhang nicht ganz überzeugt bin, dass dies wirklich der erste Gebrauch des Begriffs "libertaire" ist, zumal Déjacque sich keineswegs genötigt sieht, die Opposition zwischen "libertaire" und "libéral" weiter zu erläutern. Proudhon selber benutzt den Begriff "libertaire" wie selbstverständlich 1858 in De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise, allerdings dort nicht mit Bezug auf Déjacque, auch nicht als Selbstbezeichnung, sondern als Oberbegriff für die radikalsten Vertreter der Freihandelsschule, wie Bastiat, de Molinari oder Dunoyer (vgl. De la Justice dans la Révolution et dans l'Eglise. Première étude, 2. Auflage, Brüssel 1860, S.58-59). Bei beiden Verwendungen des Begriffs hat man den Eindruck, dass die Autoren davon ausgehen, dass der Leser bereits etwas mit dem Begriff "libertaire" verbindet. Wikipedia gesteht übrigens Déjacque den ersten "politischen Gebrauch" des Wortes "libertär" bzw. "libertarian" zu, unterstreicht aber, dass der englische Begriff "libertarian" bereits im 18. Jahrhundert benutzt wurde. Der älteste nachgewiesene Gebrauch stammt aus einem  Essay von William Belsham: "On liberty and necessity", erschienen in Essays, philosophical, historical and literary, London, 1789, S.1-15. Dort stellt der englische Philosoph den "necessarians" (d.h. die Deterministen) die "libertarians" als Verteidiger des freien Willens entgegen: "Or, where is the difference between the Libertarian, who says that the mind chuses [sic] the motive; and the Necessarian, who asserts that the motive determines the mind; if the volition be the necessary result of all the previous circumstances?" (ebd., S.13).


Die Entwicklung des Begriffs "libertär" von diesem philosophischen Gebrauch hin zu einem politisch bzw. ökonomischen Gebrauch bei Déjacque und Proudhon, und darüber hinaus zur gebräuchlichen Benutzung als Synonym für Anarchismus, aber auch ab den 1940ern als Selbstbezeichnung für eine gewöhnlich eher der politischen Rechten zugerechneten Bewegung in den USA wäre dementsprechend eigentlich noch zu schreiben. Klar ist allerdings, dass die 1858 bis 1861 von Déjacque in New York herausgegebene Zeitung Le Libertaire den Begriff nachhaltig popularisiert hat. Die Zeitung Déjacques, die mittlerweile integral online einsehbar ist, existiert übrigens in gewisser Weise, nach vielen Unterbrechungen und Neubeginnen, bis heute, seit 2005 allerdings nur noch als Online-Edition. Herausgeber ist mittlerweile die "Coordination anarchiste" aus Le Havre, ein Überbleibsel der "Union anarchiste" die sich in den 1970ern aus der "Fédération anarchiste" gelöst hat, da diese sich zu sehr in Richtung Anarchokommunismus entwickelt habe. Hier findet man die aktuelle Ausgabe.


Abschliessend ein Auszug aus einem Gedicht Déjacques, das in der letzten Ausgabe des ursprünglichen Libertaire vom 4. Februar 1861 erschienen ist:
"Au delà du gouffre qui gronde
Loin de l’écume de nos mœurs,
L’esprit signale un Nouveau-Monde.
Le monde des libres penseurs...

Voile au vent ! fils de la pensée,
Marcheurs dont l’âme est le gréement
Voile au vent, et flamme hissée !
— L’idéal... c’est le mouvement !"

Dezember 26, 2009

In defense of Progressive Rock (13): Die Subgenres - Canterbury

Der "Canterbury-Sound" ist in etwa der kleinere und etwas schrägere Bruder des "symphonischen Progs" (Yes, Emerson, Lake & Palmer, frühe Genesis usw.). Jedoch ist es eher schwierig, den Canterbury-Sound auf eine Stilrichtung festzulegen, vielmehr handelt es sich um einen Oberbegriff für eine Reihe Musiker, die ursprünglich in der Rockszene der Universitätsstadt Canterbury in den 1960ern aktiv waren, wie z.B. Robert Wyatt, Hugh Hopper, Dave Sinclair, Dave Stewart, Steve Hillage, Kevin Ayers oder Daevid Allen. Die Fachseite Babyblaue Prog-Reviews charakterisiert den Canterbury Sound wie folgt:
"Im Canterbury-Sound spielen deutliche Jazzeinflüsse eine stärkere Rolle als bei den meisten symphonischen Bands, hingegen ist die Rockkomponente schwächer ausgeprägt. Allerdings ist es schwierig, den Canterbury-Sound musikalisch wirklich festzumachen, die Unterschiede zwischen den einzelnen Bands sind beachtlich. Quirligen Pop-Songs, wie sie die frühen Caravan boten, stehen die ausgedehnten, kompromisslosen Jazzausflüge der mittleren Soft Machine gegenüber, einer Band, die ihrerseits zuvor psychedelisch angehauchten Pop gemacht und im Swinging London als große Konkurrenz von Pink Floyd gegolten hatte. Mit in das Spektrum gehören daneben z.B. die bedingungslose Komplexität mancher Henry Cow-, Egg- und National Health-Kompositionen oder der sogenannte Space Rock von Gong."

Hier ein paar Beispiele:
Soft Machine - Why am I so short? (1968)


Gong - The Pot Head Pixies (1973)


Henry Cow - No more songs (1976)

Dezember 24, 2009

Mühsam, passend zur Jahreszeit (2)

Ein Weihnachtslied aus früheren Krisenzeiten:

Das Fest der Liebe

Die Schrauben knarren; der Propeller rattert;
die Wellblechschwingen rasseln mit Gequiek:
So kommt vom Himmelsdom der Republik
der liebe Weihnachtsengel hergeflattert,
erhöhend, wo's die Menschen reichlich haben,
die Festesfreude mit den schönsten Gaben,
doch wo die andern hausen in der Tiefe,
erhöht der Engel Preise und Tarife.

Indessen die fiskalischen Gebiete
bereist Knecht Ruprecht. Wo er hintritt, kracht's
Er trägt das edle Antlitz Hjalmar Schachts
und nur wer brav ist, kriegt zum Lohn Kredite.
Meint ihr, er braucht nur in den Sack zu fassen,
und schon fließt Geld in eure Pleitekassen?
Erst feste Steuern für den Weihnachtsengel!
Wer pumpen will, bemühe auch den Schwengel!

Dem Reich sowohl als auch der Metropole
hat sich das Christkind freundlich zugeneigt.
Kredit gibt's, wenn der Preis für Butter steigt,
für Fleisch und Tabak, Mehl und Stiefelsohle.
Das Wasser wird, das Licht, das Gas verteuert,
bald auch, bloß weil du lebst, dein Kopf besteuert.
Gewaltig neppen die Verkehrsbetriebe,
Berliner, dich! – O süßes Fest der Liebe!

Doch bleibt gerecht! Der Staat braucht viel Millionen!
Siehst, Arbeitsloser, hungern du dein Kind,
so denk, wie teuer Panzerkreuzer sind,
getürmte Fürsten, Generalspensionen!
Die "Wirtschaft" muss die Hakenkreuze schmieren,
du musst, Prolet, den Sklareksumpf sanieren.– –
Der Weihnachtsengel schirme deinen Glauben!
Vom Himmel hoch da knarren Steuerschrauben.
(1929)

Dezember 19, 2009

In defense of Progressive Rock (12): Have a very progressive Christmas!

Greg Lake - I believe in Father Christmas (1975)


Jethro Tull - Ring out the solstice bells (1976)


Kansas - The Light (2001)

Dezember 18, 2009

Führer statt Quasselbude

Greenpeace auf den Spuren von Carl Schmitt:
(Foto AFP)

Dezember 16, 2009

Libertäre Presse

Die Nummer 4 der ALLiance, "Theorie- und Strategiejournal" der Alliance of the Libertarian Left, ist erschienen und als .pdf beim Liberty Activism Repository erhältlich: hier der direkte Link. Die Qualität der Texte ist recht unterschiedlich (die xte Debatte darüber, ob man als Anarchist wählen gehen kann, finde ich nicht gerade sonderlich spannend), ein Layout ist quasi inexistent... Nun ja. Nichtsdestotrotz interessant darin: die Ausgrabung eines Artikels von Voltairine De Cleyre über die Ladies' Liberal League sowie ein Bericht über die Entwicklung der libertären Szene (im breitesten Sinne) in Russland und in der Ukraine in den vergangenen Jahren. Die nächste Nummer von ALLiance soll sich schwerpunktmäßig mit den Industrial Workers of the World und der linkslibertären Haltung zu Gewerkschaften auseinandersetzen.

Dezember 14, 2009

A propos postmodern

Alles was zum Gipfel in Kopenhagen noch zu sagen ist, sagen Michael Schellenberger und Ted Nordhaus in einem sehr unterhaltsamen Essay auf dem Blog des Breakthrough Institute. Zwei Auszüge:

"With all hopes of a treaty abandoned months ago, diplomats and greens are in a state of serious cognitive dissonance, attempting to resolve the seriousness of the problem with the total lack of a meaningful government response. They do so, not by asking hard questions about the viability of the Kyoto framework, but rather by creating a simulacrum of action to substitute for any meaningful action to reduce emissions or adapt to a warmer world. 
In this, Copenhagen represents the first truly postmodern global event in human history. Other generations had Versailles, Yalta, Bretton-Woods -- agreements that re-organized nation states and shaped the modern world. We, by contrast, have Copenhagen, which has no power to do anything. In reality, Copenhagen is no more effectual than the made for media confabs like Davos. But the United Nations, multinational green groups, and sympathetic reporters have succeeded in creating the impression of action where there is, in fact, none at all. (...)

Yet, from London to Canberra to Washington, D.C., liberals and greens sell business-as-usual policies as the keys to averting ecological apocalypse. And everywhere conservatives and skeptics warn that these same policies will lead to economic ruin. The denialists' pas de deux continues, the multiple echo chambers spinning in unison.
In this environment, skeptics and greens alike make hallucinogenic statements and create bizarre media stunts. The president of the Maldives, a nation of 300,000 people, summoned the press corps to a 'cabinet meeting' -- under water, in scuba gear -- based on the apparent belief that such media stunts will persuade China and India, nations of two billion people, to fundamentally alter their development paths. Youth climate activists sing 'Give Peace a Chance' not because global warming is like war but because it's the best protest song they knew.
Skeptical conservatives insist that Copenhagen, a Davos-style green media event, is in fact the beginning of a new, secret global government. And Senator James Inhofe, who not only denies man-made warming but also believes that it was invented by a vast conspiracy, announced that he would travel to Copenhagen to act as a one man 'truth squad'."

Der Limonadenozean und die (Post-)Moderne

Als Zusatz zum Post von gestern, hier ein Text von Hakim Bey aus dem Jahr 1991, der sich u.a. mit Fouriers Phantasien auseinandersetzt. Hakim Bey definiert sich selber als "ontologischer Anarchist", beim libertärsozialistischen Establishment ist er hingegen als "Lifestyle-Anarchist" verpönt, der eine postmoderne Brühe aus Stirner, Nietzsche, Marx, situationistischer Internationale, Sufismus und Mystizismus als "Anarchismus" verkaufe. In gewisser Weise der Slavoj Zizek des Individualanarchismus. Der Leser urteile selbst:

The Lemonade Ocean & Modern Times

A Position Paper by Hakim Bey
1. One More River to Cross

In our experience (that is, not merely in intellectual speculation but in everyday-life) we have found that "the Ego" can be as much of a spook as "the Group"--or indeed, spooky as any abstraction which is allowed to control behavior, emotion, thought, or fate. Deeply as we've been influenced by Stirner / Nietzsche / Tucker/ Mackay, we have never held to any rigid ideological or psychological form of Individualism / Egoism. Individualist anarchism is lovely dynamite, but not the only ingredient in our cocktail.

Our position, put quite simply (in the form of a truism): The autonomy of the individual appears to be complemented & enhanced by the movement of the group; while the effectiveness of the group seems to depend on the freedom of the individual.

In the 1980's--thru poverty, terror, mediation, & alienation--the individual was more & more isolated, while all forms of "combination" (communes, co-ops, etc.) were eliminated or else reduced to pure simulation. The pleasures of the isolated ego have begun to pull as the "self" is gradually reduced to a comm-terminal or funnel for commodity-fetishes. In the 90's we will demand effective means of association which depend neither on Capital nor any other form of representation. We reject the false trance of the Spectacular group--but we also reject the lonely ineffectiveness of the embittered hermit. Always one more illusion to overcome!

2. Maximizing Marx

"Type-3 anarchism" (a term coined by Bob Black) designates a radically non-ideological form of anarchism neither Individualist nor Collectivist but in a sense both at once. This current within anti-authoritarianism is not a new invention, however (nor has it been given any final form). One can find versions of it in such works as bolo'bolo, or in the writings of the Situationists. One Situ group ("For Ourselves") went so far as to suggest a synthesis of Max Stirner & Karl Marx, who in real life were bitter enemies. They pointed out that Stirner's psychological existentialism does not necessarily conflict with Marx's economics. Bakunin criticized not Marx's original critique but rather the solution he proposed, dictatorship.

As for us, Stirner outweighs Marx because psychology precedes economics in our theory of liberation--but we read Stirner in the light of Bakunin & the early Marx--the light of the 1st International & the Commune of 1870--the light of Proudhon.

In order to clarify this position, we'll introduce two more names from our "family tree," Steven Pearl Andrews (1812-1886) & Charles Fourier (1772-1837). In a sense we find them a more congenial pair than Max und Marx, because they both made significant donations to the cause of erotic liberation (a central concern of the Mackay Society), unlike say the virginal Bakunin, or Marx or Proudhon--both prudes--or for that matter Stirner, Nietzsche, or Tucker, who all more or less avoided the subject. Serious historians of the Social often ignore Andrews & Fourier because they were "cranks"--utopianists, marginals, Blake-like visionaries. One needs to be something of a surrealist to appreciate them. But our appreciation is more than erotic, aesthetic, or spiritual. We also draw from them a precise picture of our own position in the "type-3" current of contemporary libertarianism.

3. Lemonade Ocean

Fourier was amazing. He lived at the same time as De Sade & Blake, & deserves to be remembered as their equal or even superior. Those other two apostles of freedom & desire had no political disciples, but in the middle of the 19th century literally hundreds of communes (phalansteries) were founded on fourierist principles in France, N. America, Mexico, S. America, Algeria, Yugoslavia, etc. Proudhon, Engels, Kropotkin all read him with fascination, as did Andre Breton & Roland Barthes. But today in America he is forgotten--not one complete work by Fourier is in print here--a few anthologies came out in the 70's but have vanished--& only one work about him (a fine biography by Jonathan Beecher, which may serve to stir some enthusiasm). Fourier's own disciples suppressed some of his most important texts (on sexuality), which did not appear in print till 1967. It's about time he was re-discovered again.

To quote Fourier out of context is to betray him. To say for example that he believed the ocean would turn to lemonade in the future, when humanity comes to live in Harmonial Association, is to make him a figure of fun (as Hawthorne did in The Blythedale Romance). To understand the beauty of the idea it must be seen in the context of Fourier's grand & brilliant cosmological speculations, rivals in complexity of Blake's prophecies. For Fourier the universe is composed of living beings, planets, & stars, who feel passion & who carry out sexual intercourse, so that creation itself is continual. The miseries of Civilization have deflected Earth & humanity from their proper destiny in a literal cosmic sense. Passion, which we have been taught to regard as "evil," is in fact virtually the divine principle. Human beings are microscopic stars, & all passions & desires (including "fetishes" & "perversions") are by nature not only good but necessary for the realization of human destiny. In Fourier's system of Harmony all creative activity including industry, craft, agriculture, etc. will arise from liberated passion--this is the famous theory of "attractive labor." Fourier sexualizes work itself--the life of the Phalanstery is a continual orgy of intense feeling, intellection, & activity, a society of lovers & wild enthusiasts. When the social life of Earth is harmonized, our planet will re-join the universe of Passion & undergo vast transformations, affecting human form, weather, animals, & plants, even the oceans.

Passion draws humanity into association just as gravity draws celestial bodies into orbital systems. The phalanstery is a little solar system revolving around the central fire of the passions. Thus, altho Fourier always defends the individual against the tyranny of the Civilized groups (what we've called Spectacular groups, in the modern context), nevertheless for him the group in its ideal form takes on a quality of absoluteness. It's been jokingly said of him that the only sin in his system is eating lunch alone. But "association" cannot be considered a form of collectivism or communism--it is not strictly "egalitarian," nor does it eliminate personal property or even inheritance. Moreover, all the elaborate titles & ranks Fourier delighted to invent for his Harmonians were voluntary & purely ceremonial. The Harmonian does not live with some 1600 people under one roof because of compulsion or altruism, but because of the sheer pleasure of all the social, sexual, economic, "gastrosophic," cultural, & creative relations this association allows & encourages.

4. The Convivial Individualist

One of Fourier's favorite illustrations of how harmony works even in Civilization was the dinner party, where wine, wit, & good food are enjoyed according to a spontaneous order, not subject to any law or morality. Social Harmony would be like a never-ending party: Fourier envisioned people leaping out of bed at 3 a.m. to pick cherries as if they were rushing off to a grand ball.

Steven Pearl Andrews (who also used the dinner-party metaphor) was not a fourierist, but he lived through the brief craze for phalansteries in America & adopted a lot of fourierist principles & practices. His chief mentor was Josiah Warren, first exponent of Individualist anarchism (or "Individual Sovereignty") in America--altho Warren in turn inherited much from certain strains of radical democracy & Protestant "spiritual anarchy" which can be traced to the earliest Colonial period. Andrew was a system-builder, a "logothete" like Fourier & Blake, a maker of worlds out of words. He syncretized Abolitionism, Free Love, spiritual universalism, Warren, & Fourier into a grand utopian scheme he called the Universal Pantarchy.

He was instrumental in founding several "intentional communities," including the "Brownstone Utopia" on 14th St. in New York, & "Modern Times" in Brentwood, Long Island. The latter became as famous as the best-known fourierist communes (Brook Farm in Massachusetts & the North American Phalanx in New Jersey)--in fact, Modern Times became downright notorious (for "Free Love") & finally foundered under a wave of scandalous publicity. Andrews (& Victoria Woodhull) were members of the infamous Section 12 of the 1st International, expelled by Marx for its anarchist, feminist, & spiritualist tendencies.

Like Fourier, Andrews created a "religion" to replace all the corrupt authoritarian cults of Civilization. We admit that this mystical tendency in both thinkers interests us a great deal, &again rouses our sympathies more than the cold atheism (or "fundamental materialism") of a Stirner or Marx. Type-3 anarchism includes for us the heritage of the Ranters, Antinomians, & Family of Love, as well as radical forms of buddhism, taoism, & sufism.
Like Blake, Fourier & Pearl Andrews built systems of their own so as not to be slaves to someone else's--& these grand structures included psychological, sexual, & spritual dimensions missing from mere ideological or philosophical systems. The structural details of Harmony & Pantarchy are fascinating & inspiring, but for us their deepest value lies in the daring of their total "radical subjectivity." Fourier & Pearl Andrews created poetics of life, not merely politics or economics, & it is this aspect of their work we most admire & wish to emulate.

5. Universal Pantarchy & North American Phalanx

In a more immediate sense, however, we find that Fourier & Pearl Andrews offer useful arguments & practical hints for the establishment of a kind of association which seems even more desirable now than before the age of Late Capitalism, Dead Communism, pure Spectacle, & the eerie alienation of credit cards & answering machines, polls & surveys, computer viruses, & immune-system breakdowns. In the 1980's even the anti-authoritarian "Margin" fell into a spooky state of communication via the mail, BBSs, xerography, & tape. Physical separateness can never be overcome by electronics, but only by "conviviality," by "living together" in the most literal physical sense. The physically divided are also the conquered & Controlled. "True desires"--erotic, gustatory, olfactory, musical, aesthetic, psychic, & spiritual--are best attained in a context of freedom of self & other in physical proximity & mutual aid. Everything else is at best a sort of representation. The entire revolt against Civilization can be seen (at least from one point of view) as an attempt to recreate the autonomous intimacy of the band, the free association of individuals.

Morbid loneliness is no better than the engineered consensus of the New World Order--in fact the two are but opposite sides of the coin, like homelessness & rent: false individualism vs. false collectivism. In the face of this illusory dichotomy we will continue to propagate Individual Sovereignty--but at the same time proclaim that our first & most urgent research of the decade must concern the nature of association.

Thus we announce our intention to revive & amalgamate both the Universal Pantarchy & the North American Phalanx, the local (NY area) manifestations of Andrews' & Fourier's systems. The new Universal Pantarchy & North American Phalanx (UP/NAP) will be first a society of appreciation & research (more musty-dusty 19th century obscure crackpots to venerate & imitate!)--but also & perhaps more importantly it may become a nucleus of association. We plan to make field trips to the original sites of Modern Times & the Phalanx; we intend to revive the fourierist tradition of banquets; we plan to construct a shrine to Fourier & the Pantarch; we may even go so far as to produce another newsletter!

And perhaps our research will actually lead to further experiments in the creation of temporary autonomous zones, free times & spaces excavated in the walls of Babylon--creative autonomy & comradeship in the no-go areas where power has "disappeared"--& who knows? even in our lifetimes, the mutation..."A crank? Yes, I'm a crank: a little device that causes revolutions!" (E.F. Schumacher).

Long live Individual Sovereignty! Long live the Pantarchy! Long live Harmony!

-- April 7 (Fourier's birthday) 1991 NYC

Dezember 13, 2009

Fourier und Fourier, oder: Die Entwicklung der globalen Erwärmung von der Utopie zur Wissenschaft

Fourier nous dit: Sors de la fange,
Peuple en proie aux déceptions!
Travaille, groupé par phalange,
Dans un cercle d'attractions.
La terre, après tant de désastres,
Forme avec le ciel un hymen,
Et la loi qui régit les astres
Donne la paix au genre humain.

P. J. de Béranger, Les fous

"Lorsque les deux milliards d'habitans auront exploité le globe jusqu'au soixante-cinquième degré, on verra naître la couronne boréale, dont je parlerai plus loin, et qui donnera la chaleur et la lumière aux régions glaciales arctiques. Ces nouvelles terres offertes à l'industrie, permettront de porter le genre humain au grand complet de trois milliards. Alors les deux continents seront mis en culture, et il n'y aura plus d'obstacle aux créations harmoniques, dont la première commencera environ quatre siècles après l'établissement de l'ordre combiné. (...)

Lorsque le genre humain aura exploité le globe jusqu'au-delà des soixante degrés nord, la température de la planète sera considérablement adoucie et régularisée : le rut acquerra plus d'activité ; l'aurore boréale devenant très fréquente, se fixera sur le pôle et s'évasera en forme d'anneau ou couronne. Le fluide qui n'est aujourd'hui que lumineux, acquerra une nouvelle propriété, celle de distribuer la chaleur avec la lumière.

La couronne sera de telle dimension, qu'elle puisse toujours être par quelque point en contact avec le soleil, dont les rayons seront nécessaires pour embraser le pourtour de l'anneau ; elle devra lui présenter un arc, même dans les plus grandes inclinaisons de l'axe de la Terre.

L'influence de la couronne boréale se fera fortement sentir jusqu'au tiers de son hémisphère ; elle sera visible à Pétersbourg, Ochotsk et dans toutes les régions du soixantième degré. Depuis le soixantième degré jusqu'au pôle, la chaleur ira en augmentant de sorte que le point polaire jouira à peu près de la température d'Andalousie et de Sicile. À cette époque, le globe entier sera mis en culture, ce qui causera un adoucissement de cinq à dix degrés, et même douze, dans les latitudes encore incultes, comme la Sibérie et le haut Canada. Les climats voisins du soixantième degré s'adouciront par double cause, par l'effet des cultures générales, et par l'influence de la couronne, au moyen delaquelle il ne viendra du pôle que des vents tempérés, comme ceux qui arrivent de la Barbarie sur Gênes et Marseille. Ces causes réunies établiront au soixantième degré la température dont jouissent aujourd'hui les régions du quarante-cinquième, en pleine culture, comme Bordeaux, Lyon, Turin, Venise : ainsi les villes de Stockholm, Pétersbourg, Tobolsk et Jakutsk, qui seront sur la ligne la plus froide de la terre, jouiront d'une chaleur égale à celle de Gascogne ou de Lombardie, sauf les modifications causées par le voisinage des montagnes et des mers. Les côtes maritimes de la Sibérie, impraticables aujourd'hui, jouiront de la douce température de Provence et de Naples.

Une amélioration plus importante qu'on devra à la couronne boréale, ce sera de prévenir tous les excès atmosphériques ; excès de froid ou de chaud, excès d'humidité ou de sécheresse, excès d'orage ou de calme : l'influence de la couronne réunie à l'influence de la culture universelle, produiront sur le globe une température graduée qui ne peut exister nulle part aujourd'hui."

So beschreibt Charles Fourier 1808 in seiner Theorie der vier Bewegungen (Théorie des quatre mouvemens et des destinées générales. Prospectus et annonce de la découverte, Leipzig, 1808, S.64-66) seine Utopie der mittels der durch die gezielte Interaktion zwischen Mensch und Natur zur materiellen Hitzequelle gewordenen borealen Krone (d.h. das Nordlicht) herbeigeführten globalen Erwärmung zur Verbesserung der Lebensbedingungen aller. Obwohl Fourier, insbesondere seit Socialisme scientifique et socialisme utopique von Friedrich Engels (deutsch: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft), als Epitom des utopischen Sozialismus gilt, kann man doch sagen, so abstrus seine Theorien auch heute klingen, dass Fourier durchaus einen wissenschaftlichen Anspruch vertreten hat, und seine Theorie der vier Bewegungen durchaus als wissenschaftliche Hypothese verstanden hat. Da Fourier und seine Schüler die praktische, experimentelle Überprüfung dieser Thesen durch die Gründung von Phalansteren (eine Art von Kibbuzim, die auf Basis der fourieristischen Theorie funktionieren sollten) unternommen haben, kann man sogar eher von einer wissenschaftlichen Herangehensweise sprechen als bei Engels' "wissenschaftlichen Sozialismus". Vielleicht ist es also eher angebracht von "experimentellem Sozialismus" statt von "utopischen Sozialismus" zu reden (siehe hierzu die online verfügbare Doktorarbeit von Pierre Mercklé).

Ein anderer Fourier, der Mathematiker, Physiker, Ägyptologe und Politiker Jean-Baptiste Joseph Fourier, gilt heute weithin, neben seinen zahllosen mathematischen Entdeckungen, als erster Verfechter der Hypothese des Treibhauseffekts, die er zuerst in einem Aufsatz 1824 entwickelt hat (hier eine  englische Übersetzung einer späteren Version dieses Textes, in der alle Abweichungen zur gegenwärtigen klimaalarmistischen Lehre schulmeisterhaft abgemahnt werden - als ob Fourier 1824 bereits über Erkenntnisse der letzten 135 Jahre verfügt hätte...). Beide Fouriers scheinen, auch wenn Marc Nadaux hier das Gegenteil behauptet, nicht enger miteinander verwandt gewesen zu sein. Gekannt haben sie sich allerdings: laut Charles Pellarin (Charles Fourier. Sa vie, sa théorie, 4. Auflage, 1849, S.64) soll Joseph Fourier 1815, während der Cent-Jours (Bonapartes Rückkehr aus dem Exil auf Elba), Charles einen Posten als Leiters des Statistikbüros der von ihm geleiteten Präfektur des Départements Isère in Grenoble besorgt haben.

Heute ist der Sozialtheoretiker Charles kaum noch bekannt, während jeder Mathematiker schon mal von Fourierreihen und Fourier-Transformation gehört hat. Umgekehrt wars im späteren 19. Jahrhundert, wie Hugo in den Misérables schreibt: "Il y avait à l'académie un sciences un Fourier célèbre que la postérité a oublié,  et dans je ne sais quel grenier un Fourier obscur dont l'avenir se souviendra."

P.S. Zum Abschluss der (inoffiziellen) Woche der globalen Erwärmung hier auf dem Blog hier noch zwei Zusätze, aus denen man vielleicht auch eigene Posts hätte machen können:
Die Arktis schmilzt, anno 1817 (auch sehr interessant bezüglich die Anfänge der Polarforschung).
Alles eine Frage der Perspektive, oder wie man aus dem gleichen Datensatz (gewonnen aus dem Eis aus Zentralgrönland) völlig gegensätzliche Eindrücke ziehen kann. Watt's up with that hat dankenswerter Weise die Daten um die Temperaturentwicklung der letzten hundert Jahre erweitert und das Ganze in einer Powerpoint-Präsentation verarbeitet.

Dezember 12, 2009

In defense of Progressive Rock (11): Die Sub-Genres - Zeuhl

Zeuhl ist ein wenig das prog'sche Pendant zum Doom Metal: klingen dort alle Bands mehr oder weniger alle wie Variationen der frühen Black Sabbath, so bezieht sich die ganze Zeuhl-Szene ebenfalls auf eine einzige Band: Magma, die den Begriff selber geprägt haben. "Zeuhl" heisst in der von Schlagzeuger Christian Vander geschaffenen Kunstsprache Kobaïanisch soviel wie "himmlische Musik" (musique céleste). Die ersten Zeuhl-Bands, nach Magma selber, waren Ableger von Magma wie Zao und Weidorje. Später kamen Bands ohne persönlichen Verbindungen zu Vander und Magma hinzu, die vor allem versuchten dem Stil von Magma nachzueifern. Hier kann man u.a. Eskaton oder auch Shub Niggurath nennen (beide nicht zu verwechseln mit gleichnamigen Black Metal-Bands). Eine etwas eigenere Note hatten die Frank Herbert-Fans von Dün, deren einziges Album Eros 1981 erschien. Zur Illustration das Stück L'épice:


Eine ganz eigene Zeuhl-Szene hat sich ab den 1980ern in Japan um die Band Ruins gebildet. Hier ein Auszug aus dem Stück Tziidal Raszhisst von einem Nebenprojekt des Ruins-Drummers Yoshida Tatsuya namens Koenji Hyakkei (live 2008).


Dezember 10, 2009

Sonntägliche Ruhestörung angekündigt

Sämtliche christlichen Kirchen in Luxemburg (und soweit ich das verstanden habe, sogar weltweit) wollen am kommenden Sonntag um 15:00 Uhr die Glocken 350mal läuten lassen um ein "lautstarkes Zeichen (..) für die Bewahrung der Schöpfung" und gegen den Klimawandel, der in Gottes Plan offenbar nicht vorgesehen ist, zu setzen. Die 350 Ruhestörungen Glockenschläge beziehen sich dabei auf die 350 CO2-Teilchen pro Million/Volumen (man könnte auch 0,0350 % dazu sagen, aber das klingt nach zu wenig und ergebe auch zu wenig Glockenschläge), die "nach Ansicht vieler Wissenschaftler, Klimaexperten und progressiver Regierungen [!] die Höchstgrenze für eine ungefährliche CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre" seien. Gegenwärtig liegt dieser Anteil, nach den Messungen der NOAA auf Mauna Loa (Hawaii) durchschnittlich bei 388 ppmv, die Grenze der 350 ppmv wurde dort zuletzt 1988 unterschritten. Dem HErrn sei Dank wissen seine Vertreter auf Erden nicht, dass die CO2-Konzentration hierzulande sogar bisweilen die 500 ppmv-Grenze überschreitet (mehr dazu in der Präsentation von Dr. Massen für das öffentliche Hearing im luxemburgischen Parlament, die dann doch nicht vorgetragen wurde, weil man sich darauf einigen konnte, dass Vertreter von Umweltorganisationen und Unternehmerverbänden sonder Zweifel mehr Ahnung vom Thema Klimawandel haben als promovierte Naturwissenschaftler), der Schrecken wäre nicht auszudenken. Noch schlimmer wäre es gekommen, hätten sie die direkt für den Menschen schädliche CO2-Konzentration von ca. 64.000 ppmv als Maßstab genommen... 64.000 Glockenschläge wären, glaube ich, noch tödlicher als das CO2.

Liebe Kirchenmenschen: würdet ihr nicht viel mehr zur Begrenzung des anthropogenen CO2-Ausstosses beitragen, wenn ihr beschliessen würdet, die Glocken für immer schweigen zu lassen? Wenn wir zusätzlich auch noch die ganze öffentliche Weihnachtsbeleuchtung abschaffen würden, wäre schon viel getan.

Und lieber Premier Juncker: Kann man nicht kurzfristig für Samstag ein Referendum über das Verbot von Kirchtürmen ansetzen?

Dezember 09, 2009

Die Arktis schmilzt, anno 1922 ff.


Wie man sieht, wurden Hoels Beobachtungen auch in anderen Quellen aufgegriffen, hier z.B. in der Monthly Weather Review der American Meteorological Society von November 1922.
Nach und nach brachte auch die Presse, vor allem ab den 1940er Jahren (also kurz nach Beginn der bei Weickmann geschilderten einsetzenden Abkühlung) und noch bis Mitte der 1950er, Berichte über die Erwärmung der Arktis bis hin zu Warnungen vor einer globalen Erwärmung. Zwei Beispiele aus dem Time-Archiv: 16. Juni 1947 und 26. Juli 1954. Einen guten Überblick über die Diskussion in diesem Zeitraum, auch in Bezug auf die CO2-These, die zeitweise als längst überwunden galt, bietet das Kapitel "Global Warming? The Early Twentieth Century" aus James Rodger Flemings Buch Historical Perspectives on Climate Change, New York, Oxford, 1998.

Rund zwanzig Jahre nach Abflauen der Presseartikel über die Erwärmung, die schon zum Gespött der Karikaturisten geworden waren, erregte sich die Presse hingegen über die globale Abkühlung und sah schon eine neue Eiszeit heran nahen. Angesichts dessen kann man sich fragen ob der Wettergott schwarzen Humor hat: auf die Warnungen vor der Erwärmung folgten ein paar Jahrzehnte der Abkühlung, auf die Warnungen vor der neuen Eiszeit folgte eine (angeblich) beispiellose Erwärmung. Lasset uns beten, dass der Wettergott dieses antizyklische Verhalten nicht beibehält, denn, beim Jupiter, sonst stehen uns eine lange Reihe arschkalter Winter ins Haus.

Dezember 08, 2009

Die Arktis schmilzt, anno 1942

Nebenstehenden Band habe ich vor einigen Monaten antiquarisch erworben. Kopenhagen bietet ja jetzt einen guten Anlass hier darüber zu berichten, zumal das dünne Heft vom Deutschen Wissenschaftlichen Institut zu Kopenhagen (DWI) veröffentlicht wurde.

Das DWI Kopenhagen war am 4. Mai 1941 durch den deutschen Besatzer gegründet worden, und sollte sich dem "deutsch-dänischen Kulturaustausch" sowie der Popularisierung dänischer Wissenschaft und Kultur im Großdeutschen Reich widmen. Erster Präsident des DWI Kopenhagen war der Kirchenhistoriker, Theologe und Spezialist für schleswig-holsteinische und nordische Geschichte Prof. Dr. Otto Scheel (Mehr zum DWI findet man bei Frank-Rutger Hausmann, "Auch im Krieg schweigen die Musen nicht". Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute im Zweiten Weltkrieg, Göttingen, 2002 [2. Auflage], S.183 ff.). Am DWI fand übrigens auch das historische Treffen zwischen Niels Bohr und Werner Heisenberg statt, das von Michael Frayn im Theaterstück Kopenhagen verewigt wurde.

Das abgebildete Heft bildet den ersten Band der von Prof. Dr. Hans Frebold veröffentlichten Reihe "Arktis", in der des Weiteren auch Themen wie Die Wiederkäuer der Arktis (Band 7), Über die Biologie des Lemmings (Band 8) oder auch Die Ortsnamen in Svalbard (Band 9) behandelt wurden. Wie man sieht waren die Arbeiten des DWI sehr interdisziplinär orientiert.

Der Autor Ludwig Weickmann, einer der bekanntesten deutschen Geophysiker seiner Zeit und Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, war 1940 als Chefmeteorologe der Luftflotte 5 nach Oslo abkommandiert worden. Vermutlich hat u.a. seine Tätigkeit dort seine Beschäftigung mit den erstaunlichen Temperaturentwicklungen dieser Zeit in der Arktis angeregt. Weickmann berichtet gleich auf Seite 1 über einen Temperaturanstieg in Spitzbergen, der die "nie dagewesene" Erwärmung seit dem Ende der 1970er Jahre weit hinter sich lässt:
"Die Tabelle zeigt, dass in Spitzbergen seit dem Winter 1918/19 eine positive Anomalie der Wintermitteltemperatur zu beobachten war mit alleiniger Ausnahme des in Europa als besonders streng in Erinnerung stehenden Winters 1928/1929. Von diesem Winter 1928/29 an machte sich dann die Erwärmung der Arktis in einer neuen starken Welle geltend, die ihren Wellenberg im Winter 1938/39 mit +9.0° C Überschuss erreichte. Der Winter 1938/39 war um 17° Grad wärmer als der Winter 1916/17. Das scheint der Höhepunkt des Phänomens zu sein. Seit diesem kritischen Winter 1938/39 beginnt die Wintertemperatur wieder rasch in der Richtung auf normale Werte zu senken." (ich unterstreiche)

Weiter beschäftigt sich Weickmann mit dem Ausdruck der "erheblichen Temperaturanomalie" auf die Eisverhältnisse, aufbauend auf den Forschungen von Scherhag, sowie von Hoel, der akribisch die empirische  Beobachtung der Eisentwicklung vor Nowaja Semla, Spitzbergen und Ostgrönland zwischen 1893-1940 dokumentiert hat. Notiert wird u.a. dass Ende Juli 1931 das Luftschiff Graf Zeppelin im "völlig eisfreien Gebiet der Hookerinsel" (UdSSR) landet (zum Vergleich Bilder einer Reise auf die Hookerinsel im Juli 2008, mehr zum Polarflug der Graf Zeppelin hier).

Es hat für Weickmann zunächst "den Anschein", die "Sonnenfleckenfrequenz [sei] hier beteiligt" (S.3). Später "scheint" es ihm, "dass auch  ein äußerst interessanter Zusammenhang des gewaltig gesteigerten Transports warmer Luftmassen in die polaren Regionen mit den Polhöhenschwankungen bestehen" (S.15). Die Polhöhenschwankungen umfassen einerseits die jährliche Polbewegung die durch die "jahreszeitlichen Änderungen des Luftdrucks" hervorgerufen wird, andererseits die "freie Schwingung des Kreisels Erde" (S.16). Weickmann geht hier auf die heute allgemein anerkannte 14-Monatsschwingung unseres Planeten ein, die nach ihrem Entdecker "Chandler Wobble" genannt wird. Im Jahr 2000 wurde vom NASA-Geophysiker Richard Gross nachgewiesen, dass die Fluktuation im Chandler Wobble auf Druckunterschiede auf dem Meeresboden zurückzuführen sind, die durch Fluktuationen der Masseverteilung. in den Ozenanen entsteht. Aus diesen Erkenntnissen und der weiteren Erforschung wollen Forscher eine "Monitoring"-Funktion für die globalen Klimaschwankungen ableiten. Hier wären es allerdings die Klimaschwankungen, die Variationen der Erdschwingung auslösen, nicht umgedreht wie bei Weickmann. Hingegen geht der russische Forscher Nikolay S. Sidorenkov von einer Wechselwirkung aus, insbesondere auf die El Niño Südliche Oszillation (am rezentesten im Buch The Interaction between Earth's Rotation and Geophysical Processes, Weinheim, 2009). Insofern hat Weickmanns kurze Darstellung vielleicht auch der gegenwärtigen Forschung noch was zu sagen.

Übrigens geht Weickmann, obwohl er auch "von weitgehenden Wirkungen auf das gesamte Wirtschaftsleben und die biologischen Bedingungen des betroffenen Gebiets" spricht (S.15) vor allem mit Neugierde und Forschergeist, ja mit Vorfreude, an die ab 1939 einsetzenden Periode der neuerlichen Abkühlung heran:
"Nun geht es allem Anschein nach diese Klimaschwankung zu Ende und damit werden erneut sehr interessante Fragen aufgerollt für die Zunahme strenger Winter, für die Abnahme von Südwestwetterlagen, für die wieder weiter nach Süden vordringende Glacialfront u.ä. Es ist bedauerlich, dass der bis in die arktischen Regionen vorgedrungene Krieg zur Zeit das Studium dieser Dinge unmöglich macht." (S.17)

Dezember 07, 2009

ClimateGate was an inside job!

Zumindest liegt diese ausführliche Erklärung des Informatikers Lance Levsen nahe, dass sich doch kein "Hacker" illegalerweise die kurz vor Kopenhagen ans Licht gekommenen verräterischen E-Mails vom Server der University of East Anglia besorgt hat.

Sehr unterhaltsame Affäre eigentlich. Man wundert sich, wieso sich die Presse hierzulande nahezu vollständig in Schweigen hüllt, bestimmt würde das den durchschnittlichen Zeitungsleser mehr interessieren als der xte Bericht über Kopenhagen mit der dazugehörigen nten Beschwörung des 2-Grad-Ziels. Wobei mir trotz der Übereinstimmung sämtlicher Parteien, dass es es eminent, ja von planetenrettender Wichtigkeit sei, dieses Ziel (die Begrenzung der Erderwärmung bis 2050 auf 2° gegenüber dem Beginn der Industrialisierung, d.h. 1750) zu erreichen, noch niemand die Frage beantworten konnte, auf welche Ausgangstemperatur sich diese 2° überhaupt beziehen (oder anders gefragt: wie hoch lag denn die globale Durchschnittstemperatur 1750? Und wenn du mir eine Zahl angibst, wäre meine nächste Frage: und woher weißt du das so genau?).

Mehr zu meinen Fragen und Ansichten zur These des CO2-gesteuerten Klimawandels hier.

148 Jahre Han Ryner

Nach Max Stirner und Voltairine De Cleyre feiert ein weiterer Vertreter des radikalen Individualismus Geburtstag: Henri Ner alias Han Ryner, geboren am 7. Dezember 1861 in Nemours (Algerien). Als Beispiel für das "unkonventionelle" Denken des Freidenkers, Pazifisten und Neostoizisten Han Ryner hier der Artikel über Skeptizismus aus der Encyclopédie Anarchiste von Sébastien Faure (1934):

SCEPTICISME n. m.

Tirés du verbe grec qui signifie examiner, les mots scepticisme et sceptique sont relativement récents. Le plus grand des sceptiques français, Montaigne, les ignore. Pascal aussi. Pourtant le célèbre suisse François de Bonivard (1493-1570), un peu plus ancien que Montaigne, avait déjà employé exceptionnellement le mot « sceptique ». Mais on disait d’ordinaire, et Bayle dit encore, pyrrhonien et pyrrhonisme.

Ce que l’on appelait le pyrrhonisme, ce que nous appelons le scepticisme, s’oppose au dogmatisme et Pyrrhon est peut-être, en effet, le premier qui ait, si l’on ose dire, professé un antidogmatisme universel et absolu. Il ne faut pourtant pas oublier qu’il avait été précédé par Protagoras et par tout le mouvement de la sophistique. La raison - disent à peu près Pyrrhon dans Diogène Laërce et son disciple Sextus Empiricus dans son livre Contre les mathématiciens - est souvent trompeuse. Nous ne pouvons nous fier à elle que si elle établit les titres de sa véracité. Où les chercherait-elle, sinon en elle-même ? Accepter la raison conme garant de la raison, c’est consentir à un cercle vicieux. Et Montaigne, sous une forme plus piquante (Essais, liv. II, ch. 12) : « Pour juger des apparences que nous recevons des sujets (sujet est, à cette époque, à peu près synonyme d’objet dans la philosophie moderne) il nous faudrait un instrument judicatoire ; pour vérifier cet instrument, il nous faut de la démonstration ; pour vérifier la démonstration, un instrument : nous voilà au rouet. Puisque les sens ne peuvent arrêter notre dispute, étant pleins eux-mêmes d’incertitude, il faut que ce soit la raison ; aucune raison ne s’établira sans une autre raison : nous voilà à reculons jusques à l’infini. »

Descartes, si dogmatique à l’ordinaire, mais qui appuie naïvement son dogmatisme sur la véracité de Dieu, soupçonne, quelque part, que ce Dieu pourrait être un mauvais génie « qui emploie toute son industrie à tromper les hommes ». A dégager sa pensée de toute gangue théologique, il se demande si la raison n’est pas le jouet d’une illusion perpétuelle. Qui répondra, sinon la raison ? Ainsi ma raison ne peut établir sa véracité qu’à condition que je consente à supposer sa véracité. Le cercle vicieux est bien fermé. Aussi Bayle (Dictionnaire historique et critique, art. Pyrrhon), constate : « Il est impossible, je ne dirai pas de convaincre un sceptique, mais de raisonner juste contre lui, n’étant pas possible de lui opposer aucune preuve qui ne soit un sophisme, le plus grossier de tous, je veux dire la pétition de principe. En effet, il n’y a point de preuve qui puisse conclure, qu’en supposant que tout ce qui est évident est véritable, c’est-à-dire qu’en supposant ce qui est en question ».

Kant remarque que, dès que, franchissant les limites de l’expérience, je veux savoir, sur l’univers, quoi que ce soit d’absolu, ou je ne trouve rien d’absolu, ou je dépasse les limites de mon intelligence qui ne sait atteindre que les phénomènes. Je puis, par des arguments également forts ou plutôt également faibles, soutenir, par exemple, que l’univers a commencé ou qu’il est éternel ; qu’il est infini ou qu’il est limité. Je dis ces arguments d’une faiblesse égale, car on ne démontre la thèse qu’en réfutant l’antithèse ou l’antithèse qu’en réfutant la thèse. Travail également facile, car non seulement l’une s’oppose à l’autre, mais la thèse comme l’antithèse contiennent une contradiction interne. Notre raison semble exiger que nous choisissons entre le oui et le non ; mais, que nous examinions critiquement le oui ou le non, nous les trouvons impossibles l’un et l’autre.

Refuges : le positivisme, le refus d’étudier des questions insolubles ; ou la poésie, le consentement souriant à une ou plusieurs métaphysiques désarmées du venin de l’affirmation. Dès que je veux du solide, je m’écarte de toute métaphysique et je répète avec Montaigne : « Ni comme ceci, ni comme cela, ni autrement. » Mais, si j’ai du goût pour les métaphysiques, je les purge les unes et les autres de toutes affirmations et, consentant dans un rire à la pétition de principe sur quoi s’appuie chaque philosophie, je rêve joyeusement : « Comme ceci, comme cela et de mille autres façons encore ».

HAN RYNER


Regelmäßig Texte von Han Ryner bringt dieser ihm gewidmete Blog: http://hanryner.over-blog.fr/

Dezember 06, 2009

In defense of Progressive Rock (10): Die Sub-Genres - Space Rock

Space Rock wird allgemein dem Prog zugerechnet, obwohl er gerade auf die Komplexität des Progs verzichtet. Space Rock zeichnet sich vor allem durch einen treibenden, monotonen Rhythmus aus, verbunden mit sich hypnotisch steigernden Riffs oder Melodiebögen. Dazu kommen meistens Synthies, die "Whoooosh" machen. und zum "Wir rasen durch das Weltall"-Feeling beitragen. Irgendwie ist Space Rock wie Ska: er hört sich eigentlich fast immer gleich an, jedoch funktioniert aber auch (fast) immer. Bekannteste Vertreter sind natürlich Hawkwind, hier mit Orgone Accumulator (1972).