Im Leitartikel des heutigen tageblatt hält der Redakteur Claude Molinaro doch allen Ernstes Proudhon als "Alternative" zu Kapitalismus und Staatssozialismus hoch. Allein der erste Satz "'Eigentum ist Diebstahl' behauptete der französische Soziologe Pierre-Joseph Proudhon 1844 in seinem Werk 'Qu’est ce que la propriété?' und meinte damit den Besitz der Produktionsmittel, die zur Ausbeutung führen." strotzt allerdings schon von Fehlern (Qu'est-ce que la propriété? erschien 1840, Proudhon war kein "Soziologe" und meinte mit dem als Diebstahl bezeichneten Eigentum keineswegs den "Besitz" der Produktionsmittel, sondern sehr wohl die rechtliche Institution des Eigentums als solche). Überhaupt scheint mir das Heranziehen Proudhons als Stichwortgeber für die Luxemburger "Solidarwirtschaft" in Form von Beschäftigungsinitiativen, die insbesondere "schwer vermittelbare" Arbeitslose zu Arbeiten minderer Güte heranziehen, für die sich "ordentliche" Handwerksbetriebe zumeist zu fein sind, doch sehr fragwürdig, insbesondere da diese Initiativen nahezu zu 100% staatlich finanziert werden. Am ehesten erinnert diese staatlich unterstützte Form von Beschäftigungsinitiativen noch an das Lassallesche Modell staatlich geförderter Arbeiterkooperativen und Konsumvereine - allerdings fällt auch die bei Lassalle vorhandene Perspektive der "Anwendung und Ausdehnung" des Prinzips der "freien individuellen Assoziation der Arbeiter" auf die "fabrikmäßige Großproduktion", d.h. die Abschaffung der Trennung zwischen Unternehmer und Lohnarbeiter vermittels der Tatsache, dass "der Arbeiterstand sein eigner Unternehmer" (Ferdinand Lassalle, Reden und Schriften. Neue Gesammt-Ausgabe, 2. Band, Berlin, 1893, S.429) werden soll, in diesem Modell völlig weg.
Mutualismus scheint sich im 21. Jahrhundert auf einen staatlich subventionierten zweiten Arbeitsmarkt zu beschränken, dessen Aufgabe weit weniger daraus besteht, eine "Alternative" zum gegenwärtigen Wirtschaftsmodell zu sein, als vielmehr ein Mittel für den Staat seine Arbeitslosenstatistik zu bereinigen. Und das wird einem dann auch noch als "Traum" verkauft!
3 Kommentare:
Der von Partei"liberalen" staatlich subventionierte Niedriglohnsektor im heutigen Realkapitalismus ist ohnehin eine Schande für jeden echten Liberalen.
Zu Proudhons berühmten Satz: Es handelt sich hierbei um ein stolen concept, da Diebstahl Eigentum erstmal voraussetzt. Wo kein Eigentum, da kein Diebstahl.
Wie kann es also gemeint sein? Dass nur kollektives Eigentum rechtens ist? Aber wo allen alles gehört, gehört eben niemandem irgendetwas.
Oder sollte Proudhon, wie die Freiwirte behaupten, eben doch nur Grundeigentum bzw. Eigentum an der Natur (die ja in ihrer Rohversion kein Produkt menschlicher Arbeit oder menschlichen Geistes ist) gemeint haben?
Dass der Begriff des Diebstahls denjenigen des Eigentums voraussetzt, hat auch schon Max Stirner gegen Proudhon eingewandt, später auch Marx. Tatsächlich spricht Proudhon in der ersten Denkschrift zum Eigentum hauptsächlich über das Grundeigentum. Jedoch unterscheidet er grundsätzlich zwischen der rechtlichen Einrichtung des Eigentums und dem blossen Besitz, d.h. der Begriff des Diebstahls setzt nicht den Begriff des Eigentums, sondern lediglich denjenigen des Begriffs voraus. Zudem fordert Proudhon (etwas missverständlicherweise) ein "natürliches Eigentumsrecht" eines jeden (individuellen, nicht kollektiven) Produzenten am Ertrag seiner Arbeit ein.
Der späte Proudhon hingegen würdigt das Eigentum als Garantie für die Freiheit des Individuums gegenüber dem Staat. Im Gegensatz zum gesellschaftlich beschränkten Besitz, den er in den Frühschriften hochhält, fordert er in den späten Schriften ein geradezu absolutes Eigentum, das nur durch das Eigentum des Nachbarn beschränkt wird. Jedoch setzt dies eine Gesellschaft voraus, in der jeder Eigentümer sein wird und als solcher sein eigener Souverän.
Und wenn du sehr verwirrt werden willst, lies mal diesen Text Proudhons über die Hypothese des Eigentums als Beweis der Existenz Gottes: http://libertarian-labyrinth.blogspot.com/2010/06/proudhon-on-property-1846-conclusion.html
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