Oktober 02, 2012

Nationalisation, piège à cons

Und wenn wir schon beim (Groucho-)Marxismus sind: das ZK der Kommunistischen Partei Luxemburgs fühlt sich nach Lektüre einer etwas kämpferischer als üblich gehaltenen Resolution des OGBL-Stahlsyndikats zurück in die Siebziger Jahre versetzt und fordert gleich die "Verstaatlichung von Grossbetrieben". Wohlverstanden nicht von strategisch wichtigen (heute würde man von "systemischen" Betrieben) wie in früheren Tagen, etwa nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern von denjenigen, die kurz vor Toresschluss stehen:
"Das Zentralkomitee kam zu der Schlussfolgerung, dass es im Interesse des Landes und der Schaffenden dringend notwendig ist, die Kapitalisten, die Betriebe schließen oder massiv abbauen wollen, zu enteignen, die Produktionsanlagen und das Gelände auf denen sie sich befinden, zu verstaatlichen und den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften weitgehende Entscheidungsbefugnisse bei der Leitung der Betreibe einzuräumen."
Genannt werden alle Betriebe, die in den letzten zwei Wochen in den Schlagzeilen standen: Hyosung Wireplant, ArcelorMittal Rodingen und Schifflingen, Luxguard II, sowie die Cargolux, die ohnehin bereits, wenn auch indirekt, zu 100% verstaatlicht ist (bloss dass 35% einem anderen Staat gehören, nämlich dem Emirat von Katar, dessen Geschäftspolitik ja nicht ganz schuldlos an den derzeitigen Schwierigkeiten der Fluglinie ist - etwa mittels Abgewinnung von Kunden der Cargolux zugunsten von Qatar Airways...).
Dabei haben die KP-Genossen keine Ahnung, wieso Kapitalisten Betriebe schliessen und hängen offenbar dem weitverbreiteten Irrglauben an, nicht zu produzieren erhöhe den kapitalistischen Gewinn - das ist höchstens aufgrund des europäischen Emissionshandels der Fall, den Mittal ja offenbar auch hervorragend nutzt - und geben sich auch nicht die Mühe, zwischen der Situation der einzelnen Betriebe zu unterscheiden. So etwa handelt es sich bei ArcelorMittal wohl um eine Auswirkung einer Firmenstrategie, die Werke an sich wären laut Audit wohl noch profitabel;  bei Luxguard II werden vor allem Investitionen benötigt, um die Produktion an die Höhe der Zeit anzupassen; bei Hyosung kann man sich die Frage stellen, ob die Übernahme der Wireplant der Goodyear nicht ohnehin darauf abzielte, einen Exklusivbelieferungsvertrag mit Goodyear einzufahren - den man kostengünstiger vom kommunistischen Bruderland Vietnam aus abdecken kann.
Was für eine wirtschaftliche Zielsetzung, über die kurz- bis mittelfristige Absicherung von Arbeitsplätzen hinaus mit der Nationalisierung, verfolgt werden soll, ist ebenfalls unklar. Eine industrielle Strategie lässt das ZK-Papier nicht erkennen. Offenbar erhofft man sich, dass sich durch den magischen Eingriff des Staates alles von selber zum Guten wendet. In der Realität kann man aber wenig mehr erkennen, als eine gewerkschaftlich begleitete Insolvenzverwaltung auf Kosten der Allgemeinheit. Aber, wie schreibt Rainer Rupp eine Seite weiter in der heutigen Zeitung vum lëtzebuerger Vollek: "die Rechnung geht an die Bürger (*)."
 
(*) womit nicht die Bourgeoisie, sondern "wir alle" gemeint sind.

1 Kommentar:

nestor hat gesagt…

Nota bene: bei Hyosung war ich übrigens falsch informiert. Der Fall liegt wohl eher so, dass Goodyear den Vertrag mit Hyosung nicht mehr honoriert und die Qualität des Drahts aus luxemburger Produktion in Frage stellt (dabei haben die Amis das Werk erst letztes Jahr an die Koreaner verkauft!). Mea culpa (man soll halt nicht alles glauben, was in der Zeitung steht).