September 16, 2010

Von der Meinungsfreiheit

Marguerite Biermann, ehemalige Richterin aus Luxemburg, in den letzten Monaten hauptsächlich als Streiterin wider die "jüdische Lobby" in Erscheinung getreten, was ihr einen Prozess und eine symbolische Geldstrafe wegen "Beleidigung" des Consistoire Israélite (allerdings ist die Berufung abzuwarten, die meines Erachtens durchaus Erfolg haben kann, da das Urteil in erster Instanz recht widersprüchlich formuliert war) - mehr dazu bei den Bloggerkollegen von L for Liberty - sowie viel Unterstützung seitens der Luxemburger Linken einbrachte (Henri Wehenkel schrieb etwa auf goosch.lu Frau Biermann sei "de gauche, de la vraie gauche"), überschlägt sich heute im Tageblatt geradezu mit Lobhymnen auf Thilo Sarrazin:

"Thilo Sarrazin ist ein intelligenter, mutiger Mensch, wie es deren leider nur wenige gibt. Er gehört zu jenen, denen wir die geistigen Errungenschaften und den Durchbruch der Vernunft verdanken. Viele seiner Vorgänger haben ihren Mut mit Verfolgung und sogar mit ihrem Leben bezahlt, und auch heute noch kämpfen überall in der Welt solche Persönlichkeiten, trotz gefährlichen Widerstands, für den Respekt der Menschenrechte.(...)" (das geht über mehrere Abschnitte so weiter...).

Gegen Sarrazin laufe eine "Hexenjagd", was "erschreckend und furchterregend" sei "in einem zivilisierten Land, das den Anspruch, ein demokratischer Rechtsstaat zu sein, erhebt" (sic). Deutschland sei durch eine angebliche Beschneidung der Meinungsfreiheit von Thilo Sarrazin "schnurgerade" auf dem Weg "in die Diktatur und den Obskurantismus". Nun kann man sich mit Freerk Huisken fragen: Wo bitte schön wurde Sarrazin denn mit Gewalt daran gehindert, seine Meinung zu verbreiten?
"Was lernt man eigentlich über Meinungsfreiheit, wenn in TV-Sendungen, in der BILD, von der SPD-Basis und in zahllosen Leserzuschriften die 'unerträgliche Beschränkung der Meinungsfreiheit' für Th. Sarrazin angeprangert wird? Hat der sein Buch denn nicht veröffentlichen können, hat es das Buch nicht gleich auf die Bestsellerlisten gebracht, ist es nicht öffentlicher Gesprächsstoff in allen Medien, hat er nicht in zahllosen Interviews nachher Rede und Antwort gestanden? Wird nicht die Debatte über seine Thesen durch den Parteiausschlussantrag der SPD und den wahrscheinlichen Rauswurf aus dem Vorstand der Bundesbank noch weiter angeheizt? Wird er nicht dadurch Gelegenheit erhalten, seine 'Meinung' noch häufiger zu vertreten und diskutieren? Es geht also gar nicht um die Freiheit der Meinung, es geht allein um den Inhalt seiner Meinung."

Meinungsfreiheit, wie Marguerite Biermann sie versteht, scheint in der Tat darin zu bestehen, dass sie sich, wenn sie rassistischen oder antisemitischen Unfug verbreitet, nicht sagen lassen will, sie verbreite rassistischen oder antisemitischen Unfug, weil das eben als schweren Eingriff in die eigene Meinungsfreiheit empfunden wird. Meinungsfreiheit besteht also darin, dass die eigene Meinung nicht zu kritisieren ist.

Allerdings schrieb schon Esther Vilar: "Die Freiheit der Presse ist also letzten Endes die Freiheit des Verbrauchers, in seiner Zeitung seine eigene Meinung zu lesen." (Das polygame Geschlecht; nach der DTV-Ausgabe Der dressierte Mann. Das polygame Geschlecht. Das Ende der Dressur. Neuausgabe in einem Band, 12. Auflage, 2007, S.198).

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