April 30, 2012

147 Jahre Max Nettlau

"Seit langem fasziniert mich der Gedanke, wie schön es doch wäre, wenn endlich einmal in der allgemeinen Auffassung über die Aufeinanderfolge der politischen und sozialen Einrichtungen das verhängnisvolle Wort nacheinander durch das so einfache und selbstverständliche nebeneinander ersetzt würde. 'Nieder mit dem Staat!', 'Nur auf den Trümmern des Staates...' sind Empfindungen und Wünsche Vieler, denen aber doch wohl nur das kühle Heraus aus dem Staat [...] zur Durchführung verhelfen kann.
Tritt in einer Wissenschaft eine neue Erkenntnis zu Tage, so arbeiten eben die davon Überzeugten auf dem neuen Weg einfach weiter, ohne die alten Professoren, die dem nicht folgen wollen oder können, überzeugen, zur Akzeptierung der neuen Methode zwingen oder totschlagen zu wollen; die geraten von selbst ins Hintertreffen und verkümmern und vertrocknen, wenn die neue Methode das richtige Leben in sich hat. Allerdings kann in vielen Fällen der böse Wille und die Dummheit der neuen Idee vieles in den Weg legen; darum müssen für die unbedingte gegenseitige Toleranz harte Kämpfe ausgefochten werden, bis sie errungen ist; erst dann geht alles von selbst, die Wissenschaft blüht und gedeiht, weil der für jeden Fortschritt nötige Boden der Versuchsfreiheit und freien Forschung gewonnen ist.
Nur nicht immer 'alles unter einen Hut bringen wollen' - das ist dem Staat nicht gelungen: die Sozialisten und Anarchisten entschlüpften dieser Macht; und das dürfte uns auch nicht gelingen, denn die 'Staatsmenschen' sind nun einmal noch da. Es müßte übrigens uns selbst nur angenehm sein, so einen eingefleischten Staatskrüppel nicht in unserer freien Gesellschaft mitschleppen zu brauchen, und die oft erörterte Frage, was denn mit den Reaktionären geschehen soll, die sich der Freiheit nicht anpassen können, würde dadurch sehr einfach gelöst: die mögen sich ihren Staat behalten, solange sie wollen - nur hat er für uns nicht mehr Bedeutung, über uns nicht mehr Macht, als die verschrobenen Ideen irgend einer religiösen Sekte, um die sich niemand kümmert. So wird es früher oder später kommen; die Freiheit bricht sich überall Bahn.
Als wir einmal auf dem Comosee fuhren, bestieg eine Mailänder Lehrerin mit einer großen Schulklasse das Dampfschiff. Sie wollte, daß sich die Kinder alle niedersetzten und rannte von einer Gruppe zur anderen, das Niedersetzen anordnend - aber kaum hatte sie einer Gruppe den Rücken gedreht, standen die meisten sofort auf und so oft sie das Ganze überblickte, wenn sie, mit dem Ordnen der Kinder fertig zu sein glaubte, standen sie in demselben Durcheinander da wie früher. Statt nun 'streng' zu werden, lachte die junge Frau selbst darüber und ließ die Kinder in Ruhe, von denen sich die meisten bald von selbst niedersetzten. Das ist ein harmloses Beispiel, wie alles, sich selbst überlassen, sich am besten löst, und bevor sich die Idee der gegenseitigen Toleranz in politischen und sozialen Dingen Bahn bricht, könnten wir, nebenbei gesagt, nichts besseres tun, als uns selbst hierfür vorzubereiten, indem wir sie in unserm eigenen täglichen Leben und Denken ins Werk setzen; wie oft handeln wir noch selbst ihr entgegen?
Diese Worte sollen zeigen, wie lieb mir diese Idee geworden ist, und begreiflich machen, daß ich mich freue, in einem verschollenen Aufsatz einen Vorläufer dieser Idee gefunden zu haben, von der sonst in unserer Literatur, der der Kampf freilich aufgezwungen wurde, nicht viel die Rede ist. Ich meine den Artikel Panarchie von P. E. de Puydt in der Revue Trimestrielle (Brüssel), Juli 1860, SS. 222 - 245. Der mir sonst bis jetzt unbekannte Verfasser, um den ich mich noch nicht kümmerte, um mir den Eindruck seiner Ideen nicht zu stören, steht den sozialen Bewegungen wohl fern, hat aber einen klaren Blick dafür, wie das jetzige politische System, nach welchem sich Alle einer durch Majoritätsbeschluß oder sonst irgendwie entstandenen Regierung fügen sollen, einfach dem elementarsten Freiheitsbedürfnis ins Gesicht schlägt."

Auszug aus: "Panarchie. Eine verschollene Idee von 1860", in Der Sozialist vom 22. Februar 1909. Den ganzen Artikel findet man hier: http://www.panarchy.org/nettlau/1909.de.html

April 28, 2012

Both kinds of music (102): Even cowboys get the punk

Ein "Seitengenre", das hier noch nicht behandelt wurde, und das wir heute auch nur streifen können, ist der sogenannte "Cowpunk", der sich vor allem im Raum Los Angeles manifestierte. Ab den frühen 1980ern bauten dort Punk- und New Wave-Bands Country- und Rockabilly-Elemente in ihre Musik ein (etwas artverwandt ist der Psychobilly); darunter auch Größen des Genres wie X, hier mit dem Titel The new world (1983):

Weiter wären zu nennen: The Blasters, Rank and File, Blood on the Saddle oder Jason and the Scorchers. Daneben gab es aber auch Acts, die eher humorvoll an die Sache rangingen und/oder als Cowboys MTV-tauglichen New Wave/Pop machten; so z.B. Rubber Rodeo mit den Titeln wie How the west was won (ebenfalls 1983):

Ein Höhepunkt des Genres war sicherlich die Veröffentlichung des zweiten Social Distortion-Albums Prison Bound, das einen recht harten Punk-Sound mit Johnny Cash-Einflüssen verband. Hier eine sehr viel spätere - und softere - Aufnahme des Titelsongs, live 2011 beim Rock am Ring:

April 27, 2012

192 Jahre Herbert Spencer

Da Herbert Spencer erstaunlicherweise neben Franz Kafka das am meisten gefragteste Geburtstagskind auf diesen Seiten ist, habe ich auch dieses Jahr wieder einen Text des englischen Proto-Soziologen ausgesucht, diesmal einen seiner bekanntesten:

The right to ignore the State
§ 1. As a corollary to the proposition that all institutions must be subordinated to the law of equal freedom, we cannot choose but admit the right of the citizen to adopt a condition of voluntary outlawry. If every man has freedom to do all that he wills, provided he infringes not the equal freedom of any other man, then he is free to drop connection with the state - to relinquish its protection and to refuse paying toward its support. It is self-evident that in so behaving he in no way trenches upon the liberty of others, for his position is a passive one, and while passive he cannot become an aggressor. It is equally self-evident that he cannot be compelled to continue one of a political corporation without a breach of the moral law, seeing that citizenship involves payment of taxes; and the taking away of a man's property against his will is an infringement of his rights. Government being simply an agent employed in common by a number of individuals to secure to them certain advantages, the very nature of the connection implies that it is for each to say whether he will employ such an agent or not. If anyone of them determines to ignore this mutual-safety confederation, nothing can be said except that he loses all claim to its good offices and exposes himself to the danger of maltreatment - a thing he is quite at liberty to do if he likes. He cannot be coerced into political combination without a breach of the law of equal freedom; he can withdraw from it without committing any such breach, and he has therefore a right so to withdraw.
§ 2. "No human laws are of any validity if contrary to the law of nature; and such of them as are valid derive all their force and all their authority mediately or immediately from this original." Thus writes Blackstone, to whom let all honor be given for having so far outseen the ideas of his time and, indeed, we may say of our time. A good antidote, this, for those political superstitions which so widely prevail. A good check upon that sentiment of power worship which still misleads us by magnifying the prerogatives of constitutional governments as it once did those of monarchs. Let men learn that a legislature is not "our God upon earth," though, by the authority they ascribe to it and the things they expect from it, they would seem to think it is. Let them learn rather that it is an institution serving a purely temporary purpose, whose power, when not stolen, is at best borrowed.
Nay, indeed, have we not seen that government is essentially immoral? Is it not the offspring of evil, bearing about it all the marks of its parentage? Does it not exist because crime exists? Is it not strong - or, as we say, despotic - when crime is great? Is there not more liberty - that is, less government -- when crime diminishes? And must not government cease when crime ceases, for very lack of objects on which to perform its function? Not only does magisterial power exist because of evil, but it exists by evil. Violence is employed to maintain it, and all violence involves criminality. Soldiers, policemen, and jailers; swords, batons, and fetters are instruments for inflicting pain; and all inflection of pain is in the abstract wrong. The state employs evil weapons to subjugate evil and is alike contaminated by the objects with which it deals and the means by which it works. Morality cannot recognize it, for morality, being simply a statement of the perfect law, can give no countenance to anything growing out of, and living by, breaches of that law. Wherefore, legislative authority can never be ethical - must always be conventional merely.
Hence, there is a certain inconsistency in the attempt to determine the right position, structure, and conduct of a government by appeal to the first principles of rectitude. For as just pointed out, the acts of an institution which is in both nature and origin imperfect cannot be made to square with the perfect law. All that we can do is to ascertain, firstly, in what attitude a legislature must stand to the community to avoid being by its mere existence an embodied wrong; secondly, in what manner it must be constituted so as to exhibit the least incongruity with the moral law; and thirdly, to what sphere its actions must be limited to prevent it from multiplying those breaches of equity it is set up to prevent.
The first condition to be conformed to before a legislature can be established without violating the law of equal freedom is the acknowledgment of the right now under discussion - the right to ignore the state.
§ 3. Upholders of pure despotism may fitly believe state-control to be unlimited and unconditional. They who assert that men are made for governments and not governments for men may consistently hold that no one can remove himself beyond the pale of political organization. But they who maintain that the people are the only legitimate source of power - that legislative authority is not original, but deputed - cannot deny the right to ignore the state without entangling themselves in an absurdity.
For, if legislative authority is deputed, it follows that those from whom it proceeds are the masters of those on whom it is conferred; it follows further that as masters they confer the said authority voluntarily; and this implies that they may give or withhold it as they please. To call that deputed which is wrenched from men, whether they will or not, is nonsense. But what is here true of all collectively is equally true of each separately. As a government can rightly act for the people only when empowered by them, so also can it rightly act for the individual only when empowered by him. If A, B, and C debate whether they shall employ an agent to perform for them a certain service, and if while A and B agree to do so C dissents, C cannot equitably be made a party to the agreement in spite of himself. And this must be equally true of thirty as of three; and if of thirty, why not of three hundred, or three thousand, or three millions?
§ 4. Of the political superstitions lately alluded to, none is so universally diffused as the notion that majorities are omnipotent. Under the impression that the preservation of order will ever require power to be wielded by some party, the moral sense of our time feels that such power cannot rightly be conferred on any but the largest moiety of society. It interprets literally the saying that "the voice of the people is the voice of God," and, transferring to the one the sacredness attached to the other, it concludes that from the will of the people - that is, of the majority - there can be no appeal. Yet is this belief entirely erroneous.
Suppose, for the sake of argument, that, struck by some Malthusian panic, a legislature duly representing public opinion were to enact that all children born during the next ten years should be drowned. Does anyone think such an enactment would be warrantable? If not, there is evidently a limit to the power of a majority. Suppose, again, that of two races living together - Celts and Saxons, for example - the most numerous determined to make the others their slaves. Would the authority of the greatest number be in such case valid? If not, there is something to which its authority must be subordinate. Suppose, once more, that all men having incomes under £50 a year were to resolve upon reducing every income above that amount to their own standard, and appropriating the excess for public purposes. Could their resolution be justified? If not, it must be a third time confessed that there is a law to which the popular voice must defer. What, then, is that law, if not the law of pure equity - the law of equal freedom? These restraints, which all would put to the will of the majority, are exactly the restraints set up by that law. We deny the right of a majority to murder, to enslave, or to rob, simply because murder, enslaving, and robbery are violations of that law - violations too gross to be overlooked. But if great violations of it are wrong, so also are smaller ones. If the will of the many cannot supersede the first principle of morality in these cases, neither can it in any. So that, however insignificant the minority, and however trifling the proposed trespass against their rights, no such trespass is permissible.
When we have made our constitution purely democratic, thinks to himself the earnest reformer, we shall have brought government into harmony with absolute justice. Such a faith, though perhaps needful for the age, is a very erroneous one. By no process can coercion be made equitable. The freest form of government is only the least objectionable form. The rule of the many by the few we call tyranny; the rule of the few by the many is tyranny also, only of a less intense kind. "You shall do as we will, and not as you will," is in either case the declaration; and if the hundred make it to the ninety-nine, instead of the ninety-nine to the hundred, it is only a fraction less immoral. Of two such parties, whichever fulfills this declaration necessarily breaks the law of equal freedom: the only difference being that by the one it is broken in the persons of ninety-nine, while by the other it is broken in the persons of a hundred. And the merit of the democratic form of government consists solely in this, that it trespasses against the smallest number.
The very existence of majorities and minorities is indicative of an immoral state. The man whose character harmonizes with the moral law, we found to be one who can obtain complete happiness without diminishing the happiness of his fellows. But the enactment of public arrangements by vote implies a society consisting of men otherwise constituted -- implies that the desires of some cannot be satisfied without sacrificing the desires of others -- implies in the pursuit of their happiness the majority inflict a certain amount of unhappiness on the minority -- implies, therefore, organic immorality. Thus, from another point of view, we again perceive that even in its most equitable form it is impossible for government to dissociate itself from evil; and further, that unless the right to ignore the state is recognized, its acts must be essentially criminal.
§ 5. That a man is free to abandon the benefits and throw off the burdens of citizenship may indeed be inferred from the admissions of existing authorities and of current opinion. Unprepared as they probably are for so extreme a doctrine as the one here maintained, the radicals of our day yet unwittingly profess their belief in a maxim which obviously embodies this doctrine. Do we not continually hear them quote Blackstone's assertion that "no subject of England can be constrained to pay any aids or taxes even for the defence of the realm or the support of government, but such as are imposed by his own consent, or that of his representative in parliament?" And what does this mean? It means, say they, that every man should have a vote. True, but it means much more. If there is any sense in words it is a distinct enunciation of the right now contended for. In affirming that a man may not be taxed unless he has directly or indirectly given his consent, it affirms that he may refuse to be so taxed; and to refuse to be taxed is to cut all connection with the state. Perhaps it will be said that this consent is not a specific, but a general one, and that the citizen is understood to have assented to everything his representative may do when he voted for him. But suppose he did not vote for him, and on the contrary did all in his power to get elected someone holding opposite views - what then? The reply will probably be that, by taking part in such an election, he tacitly agreed to abide by the decision of the majority. And how if he did not vote at all? Why, then he cannot justly complain of any tax, seeing that he made no protest against its imposition. So, curiously enough, it seems that he gave his consent in whatever way he acted - whether he said yes, whether he said no, or whether he remained neuter! A rather awkward doctrine, this. Here stands an unfortunate citizen who is asked if he will pay money for a certain proffered advantage; and whether he employs the only means of expressing his refusal or does not employ it, we are told that he practically agrees, if only the number of others who agree is greater than the number of those who dissent. And thus we are introduced to the novel principle that A's consent to a thing is not determined by what A says, but by what B may happen to say!
It is for those who quote Blackstone to choose between this absurdity and the doctrine above set forth. Either his maxim implies the right to ignore the state, or it is sheer nonsense.
§ 6. There is a strange heterogeneity in our political faiths. Systems that have had their day and are beginning here and there to let the daylight through are patched with modern notions utterly unlike in quality and color; and men gravely display these systems, wear them, and walk about in them, quite unconscious of their grotesqueness. This transition state of ours, partaking as it does equally of the past and the future, breeds hybrid theories exhibiting the oddest union of bygone despotism and coming freedom. Here are types of the old organization curiously disguised by germs of the new - peculiarities showing adaptation to a preceding state modified by rudiments that prophecy of something to come - making altogether so chaotic a mixture of relationships that there is no saying to what class these births of the age should be referred.
As ideas must of necessity bear the stamp of the time, it is useless to lament the contentment with which these incongruous beliefs are held. Otherwise it would seem unfortunate that men do not pursue to the end the trains of reasoning which have led to these partial modifications. In the present case for example, consistency would force them to admit that, on other points besides the one just noticed, they hold opinions and use arguments in which the right to ignore the state is involved.
For what is the meaning of Dissent? The time was when a man's faith and his mode of worship were as much determinable by law as his secular acts; and, according to provisions extant in our statute book, are so still. Thanks to the growth of a Protestant spirit, however, we have ignored the state in this matter - wholly in theory, and partly in practice. But how have we done so? By assuming an attitude which, if consistently maintained, implies a right to ignore the state entirely. Observe the positions of the two parties. "This is your creed," says the legislator; "you must believe and openly profess what is here set down for you." "I shall not do anything of the kind," answers the nonconformist; "I will go to prison rather." "Your religious ordinances," pursues the legislator, "shall be such as we have prescribed. You shall attend the churches we have endowed and adopt the ceremonies used in them." "Nothing shall induce me to do so," is the reply; "I altogether deny your power to dictate to me in such matters, and mean to resist to the uttermost." "Lastly," adds the legislator, "we shall require you to pay such sums of money toward the support of these religious institutions as we may see fit to ask." "Not a farthing will you have from me," exclaims our sturdy Independent; "even did I believe in the doctrines of your church (which I do not), I should still rebel against your interference; and if you take my property, it shall be by force and under protest."
What now does this proceeding amount to when regarded in the abstract? It amounts to an assertion by the individual of the right to exercise on of his faculties -- the religious sentiment -- without let or hinderance, and with no limit save that set up by the equal claims of others. And what is meant by ignoring the state? Simply an assertion of the right similarly to exercise all the faculties. The one is just an expansion of the other -- rests on the same footing with the other -- must stand or fall with the other. Men do indeed speak of civil and religious liberty as different things: but the distinction is quite arbitrary. They are parts of the same whole and cannot philosophically be separated.
"Yes they can," interposes the objector; "assertion of the one is imperative as being a religious duty. The liberty to worship God in the way that seems to him right is a liberty without which a man cannot fulfill what he believes to be Divine commands, and therefore conscience requires him to maintain it." True enough; but how if the same can be asserted of all other liberty? How if maintenance of this also turns out to be a matter of conscience? Have we not seen that human happiness is the Divine will - that only by exercising our faculties is this happiness obtainable -- and that it is impossible to exercise them without freedom? And if this freedom for the exercise of faculties is a condition without which the Divine will cannot be fulfilled, the preservation of it is, by our objector's own showing, a duty. Or, in other words, it appears not only that the maintenance of liberty of action may be a point of conscience, but that it ought to be one. And thus we are clearly shown that the claims to ignore the state in religious and in secular matters are in essence identical.
The other reason commonly assigned for nonconformity admits of similar treatment. Besides resisting state dictation in the abstract, the dissenter resists it from disapprobation of the doctrines taught. No legislative injunction will make him adopt what he considers an erroneous belief; and, bearing in mind his duty toward his fellow men, he refuses to help through the medium of his purse in disseminating this erroneous belief. The position is perfectly intelligible. But it is one which either commits its adherents to civil nonconformity also, or leaves them in a dilemma. For why do they refuse to be instrumental in spreading error? Because error is adverse to human happiness. And on what ground is any piece of secular legislation disapproved? For the same reason - because thought adverse to human happiness. How, then, can it be shown that the state ought to be resisted in the one case and not in the other? Will anyone deliberately assert that if a government demands money from us to aid in teaching what we think will produce evil we ought to refuse it, but that if the money is for the purpose of doing what we think will produce evil we ought not to refuse it? Yet such is the hopeful proposition which those have to maintain who recognize the right to ignore the state in religious matters but deny it in civil matters.
§ 7. The substance of this chapter once more reminds us of the incongruity between a perfect law and an imperfect state. The impracticability of the principle here laid down varies directly as social morality. In a thoroughly vicious community its admission would be productive of anarchy. In a completely virtuous one its admission will be both innocuous and inevitable. Progress toward a condition of social health - a condition, that is, in which the remedial measures of legislation will no longer be needed - is progress toward a condition in which those remedial measures will be cast aside and the authority prescribing them disregarded. The two changes are of necessity co-ordinate. That moral sense whose supremacy will make society harmonious and government unnecessary is the same moral sense which will then make each man assert his freedom even to the extent of ignoring the state -- is the same moral sense which, by deterring the majority from coercing the minority, will eventually render government impossible. And as what are merely different manifestations of the same sentiment must bear a constant ratio to each other, the tendency to repudiate governments will increase only at the same rate that governments become needless.
Let not any be alarmed, therefore, at the promulgation of the foregoing doctrine. There are many changes yet to be passed through before it can begin to exercise much influence. Probably a long time will elapse before the right to ignore the state will be generally admitted, even in theory. It will be still longer before it receives legislative recognition. And even then there will be plenty of checks upon the premature exercise of it. A sharp experience will sufficiently instruct those who may too soon abandon legal protection. While, in the majority of men, there is such a love of tried arrangements and so great a dread of experiments that they will probably not act upon this right until long after it is safe to do so.
(Kapitel 19 aus der ersten Auflage von Social Statics: or, The Conditions essential to Happiness specified, and the First of them Developed, London, 1851).

April 22, 2012

288 Jahre Immanuel Kant

Zum Geburtstag des bekanntesten Kaliningraders ein Ausschnitt aus der Kritik der reinen Vernunft (1781), übersetzt von Roderick T. Long und vertont von Paul L. Fine.

April 21, 2012

Both kinds of music (101): The one after 100

Eine der erfolgreichsten Country-Bands der Spätachtziger waren die von Paulette Carlson geführten Highway 101, die 1986 in L.A. gegründet worden waren. Carlson hatte zuvor eine größtenteils erfolglose Solokarriere hinter sich; jedoch konnte bereits die erste Single The bed you made for me der neuen Band 1987 Platz 4 der Country-Charts erobern, die darauf folgende Single Whiskey, if you were a woman Platz 2.

Mit Cry Cry Cry und Somewhere tonight folgten ebenfalls 1987 noch zwei Nummer 1-Hits. Hier eine Live-Aufnahme des ersteren aus dem Jahr 1988:

Auch 1988 und 1989 dominierten Highway 101 die Country-Charts mit Titeln wie (Do you love me) Just say yes oder Walkin', Talkin', Cryin', Barely Beatin' Broken Heart. 1990 verliess Carlson jedoch die Band um wieder eine Solo-Karriere anzuknüpfen. Als Nachfolgerin wurde Nikki Nelson angeheuert, nach den Achtungserfolgen Bing Bang Boom und The Blame (beide 1991) konnte die Band jedoch nie wieder an ihre Erfolge aus den 1980ern anknüpfen.

April 17, 2012

158 Jahre Benjamin Tucker

A seed planted.

Time: Thursday, May 17, 7.30 P.M.
Place: Residence of the editor of Liberty, 10 Garfield Ave., Crescent Beach, Revere (a town in the suburbs of Boston).
Dramatis Personæ: Charles F. Fenno, so-called tax-collector of Revere, and the editor of Liberty.
In answer to a knock the editor of Liberty opens his front door, and is accosted by a man whom he never met before, but who proves to be Fenno.
Fenno.“Does Mr. Tucker live here?”
Editor of Liberty.“That’s my name, sir.”
F.“I came about a poll-tax.”
Editor of Liberty.“Well?”
F.“Well, I came to collect it.”
E. of L.“Do I owe you anything?”
F.“Well, no; but you were living here on the first of May last year, and the town taxed you one dollar.”
E. of L.“Oh! it isn’t a matter of agreement, then?”
F.“No, it’s a matter of compulsion.”
E. of L.“But isn’t that rather a mild word for it? I call it robbery.”
F.“Oh, well, you know the law; it says that all persons twenty years of age and upwards who are living in a town on the first day of May—”
E. of L.“Yes, I know what the law says, but the law is the greatest of all robbers.”
F.“That may be. Anyhow, I want the money.”
E. of L. (taking a dollar from his pocket and handing it to Fenno)—“Very well. I know you are stronger than I am, because you have a lot of other robbers at your back, and that you will be able to take this dollar from me if I refuse to hand it to you. If I did not know that you are stronger than I am, I should throw you down the steps. But because I know that you are stronger, I hand you the dollar just as I would hand it to any other highwayman. You have no more right to take it, however, than to enter the house and take everything else you can lay your hands on, and I don’t see why you don’t do so.”
F.“Have you your tax-bill with you?”
E. of L.“I never take a receipt for money that is stolen from me.”
F.“Oh, that’s it?”
E. of L.“Yes, that’s it.”
And the door closed in Fenno’s face.
He seemd a harmless and inoffensive individual, entirely ignorant of the outrageous nature of his conduct, and he is wondering yet, I presume, if not consulting with his fellow-citizens, upon what manner of crank it is that lives at No. 10 Garfield Ave., and whether it would not be the part of wisdom to lodge him straightway in a lunatic asylum.

(aus Liberty vom 26. Mai 1888; hier nach Instead Of A Book, By A Man Too Busy To Write One, 1897, 2. Auflage, S.139.)

April 15, 2012

Le sauveur suprême, sauce 2012 (documentation)

Quelques citations du sénateur - tribun du peuple :

"La France n’est pas une nation occidentale. Elle ne l’est ni du fait de son peuple bigarré, ni du fait qu’elle est présente dans tous les océans du monde, du fait qu’elle est, existe, vit et rayonne à proximité des cinq continents, de la Nouvelle Calédonie, la Polynésie, la Réunion, Mayotte, les Caraïbes, la Guyane... Non, la France n’est pas une nation occidentale, elle est une nation universaliste."
Discours de Mélenchon à Toulouse, 5 avril 2012.

"En tant que deuxième territoire maritime du monde, nous devons être la puissance de la découverte de la mer (...) car inéluctablement, les conflits de puissance arriveront sur et dans la mer."
Conférence de Mélenchon sur "Une défense souveraine et altermondialiste" [!] au Cercle républicain de Paris, 30 mars 2012.

France Inter : "Dassault qui (…) parviendrait à exporter son rafale en Inde, c’est une bonne nouvelle ?"
Mélenchon : "Evidemment que c’est une bonne nouvelle parce que le Rafale est un avion tout à fait extraordinaire, puisque vingt ans après il est en avance technique sur tous les autres. C’est bien pour la France d’être capable de produire toute seule un avion de cette nature."
France Inter : "(...) donc on peut à la fois se battre pour le désarmement et applaudir à la vente d’avions de chasse ?"
Mélenchon : "Ah oui, absolument, on peut le faire, en considérant que le désarmement est un travail qui se planifie (…). Ceux qui devront d’abord désarmer, c’est les autres, pour la raison que les Américains, les Russes sont infiniment plus armés que nous et ils sont plus menaçants et plus dangereux ; nous les Français nous ne menaçons personne et n’agressons personne."
Interview radio du 1er février 2012. 

"L'agence Moody's prétend qu'elle va surveiller le peuple français. Peuple français, il ne faut pas avoir peur d'eux, c'est nous qui les surveillons!"
Mélenchon à l'action "Les Français ne sont pas des andouillettes" contre l'agence de notation Moody's.

"Les nouveaux entrants de l’est… eh ben qu’ils aillent se faire foutre ! Les Lituaniens, t’en connais un toi de Lituanien ? j’en ai jamais vu un moi."
Mélenchon en 2005.

"En tant qu’homme de gauche, je souhaiterais me tourner un instant vers certains de nos amis (l’orateur se tourne vers les travées communistes) pour leur faire entendre que Maastricht est un compromis de gauche : pour la première fois, dans un traité de cette nature, des mesures d’encadrement du marché sont prévues ; pour la première fois, citoyenneté et nationalité sont dissociées ; pour la première fois, les syndicats vont être associés aux processus décisionnels. (Protestations sur les travées communistes. – Applaudissements sur les travées socialistes.) (...)
Nous sommes fiers de savoir qu’il va en résulter des éléments de puissance, qu’un magistère nouveau va être proposé à la France, à ma génération, dans le monde futur, qui est un monde en sursis, injuste, violent, dominé pour l’instant pas une seul puissance.
Demain, avec la monnaie unique, cette monnaie unique de premier vendeur, premier acheteur, premier producteur, représentant la première masse monétaire du monde, l’Europe sera aussi porteuse de civilisation, de culture, de réseaux de solidarité, comme aujourd’hui le dollar porte la violence dans les rapports simples et brutaux qu’entretiennent les Etats-Unis d’Amérique avec le reste du monde."
Mélenchon soutenant le traité de Maastricht au Sénat, 9 juin 1992

"Si le Front de gauche gouvernait le pays, aurait-il regardé la révolution libyenne se débattre comme nos prédécesseurs ont regardé les révolutionnaires espagnols mourir ? Non. Serions-nous intervenus directement ? Non. Nous serions allés demander à l’ONU un mandat. Exactement ce qui vient de se faire. Je peux appuyer une démarche quand l’intérêt de mon pays coïncide avec celui de la révolution."
Mélenchon expliquant son soutien aux frappes aériennes de l'OTAN en Libye, Libération du 21 mars 2011.

"Non, les communistes n’ont pas de sang sur les mains. Le seul qu’ils aient, c’est celui de l’envahisseur qu’ils ont repoussé."
Discours de Mélenchon à Rouen, 6 mars 2012.

"[Les Cubains] choisissent librement leurs affaires, comme vous le savez, la volonté démocratique des peuples (...) À Cuba, qu’on doit mettre dans son contexte des Caraïbes. Je vous signale que dans les Caraïbes, il n’y a qu’une chose qui marche bien, ce sont les départements français d'outre-mer [!], tout le reste est dans la pauvreté la plus abjecte. À Cuba, ils ont une des voies choisies du développement. (...) Dans le contexte de l’Amérique du Sud, je ne suis pas d’accord pour qualifier Cuba de dictature et je salue la contribution de Cuba socialiste à la lutte des peuples."
Mélenchon sur France Inter, 5 janvier 2011.

"Prenez-moi pour un fou, mais dans les révolutions par les urnes qui ont eu lieu en Amérique du Sud, c'est toujours un homme de l'Ancien Monde qui a fait le pont avec le nouveau. Quand la peur du déclassement est aussi forte qu'elle l'est actuellement en France, il suffit d'un rien pour que tout bascule. Alors je me mets en situation d'être cet homme-là. Si demain il fallait gouverner, je saurais comment m'y prendre."
Mélenchon dans Le Point, 14 avril 2011.

Quelques caractérisations qui me semblent appropriées...

"M. Mélenchon, ci-devant trotskyste lambertiste, ci-devant socialojospinien, ci-devant quelque chose dans le gouvernement du susdit, est devenu la providence des postaliniens et l’incarnation pasteurisée de l’'insurrection' électorale.
Bien moins intelligent que Robespierre, beaucoup moins bon orateur que Danton, infiniment moins avenant que Camille Desmoulins, M. Mélenchon est sans doute aussi un peu moins sincère que les sans-culottes dont ses partisans arborent la coiffure dans ses meetings.
Mais M. Mélenchon est aussi un militant de la censure. En mai 1992, il interpelait le gouvernement pour s’étonner que la loi de 1987, réprimant la 'provocation au suicide' ne soit pas plus rapidement appliquée au livre Suicide, mode d’emploi."

"Malgré son talent, son humour dévastateur, son énergie, sa culture, j’ai beaucoup de mal avec ce bonhomme : il personnifie la franchouillardise jacobine et centralisatrice, l’arrogance du 'gallus' perché sur ses ergots qui pense avoir raison contre le monde entier sous prétexte qu’il fait davantage de bruit que ses voisins de basse-cour.
Et puis c’est quoi, le Front de Gauche ? A la base, un groupuscule issu de la gauche du PS, le Parti de Gauche, dont les effectifs auraient pu tenir congrès dans une cabine téléphonique. Mais parce que son leader a du charisme est venu s’agréger à ce groupuscule un Parti Communiste Français en phase terminale depuis Novembre 89 et la faillite de sa maison-mère. Et avec lui, malgré tout, un appareil en état de marche et surtout un réseau d’élus et une expérience multi-décennale de la pratique des campagnes électorales. Sans oublier une galaxie d’intellectuels, de militants déçus des impasses de la 'gauche de la gauche'. (...)
Mais tout ça mis bout à bout n’atteindrait jamais 15% dans les sondages, n’étaient les formidables dons d’orateur de Jean-Luc Mélenchon. 'Bon client' des médias, il vitrifie ses contradicteurs et galvanise les foules par des fulgurances objectivement brillantes. N’était surtout l’exaspération de millions de chômeurs, de précaires, de sous-payés ou de 'gens normaux' face à l’insoutenable culot d’une certaine élite politico-économique ânonnant, comme si de rien n’était, son catéchisme néolibéral. Exaspération que ne saurait a priori complètement calmer un programme social-démocrate comme celui de François Hollande.
Chez Mélenchon, en revanche, pas de problème : les riches, les banques, les entreprises, tous paieront jusqu’au dernier cent pour financer une spectaculaire augmentation du smic, les retraites comme au bon vieux temps, un accroissement des dépenses publiques dans quasiment tous les domaines. S’ils ne sont pas contents, c’est pareil, vive l’Etat tout-puissant et volontariste. Le tout en faisant un bras d’honneur à l’Europe, sans parler du reste du monde. Si Mélenchon était à droite, on appellerait ça de la démagogie. Mais comme il est à gauche, on parle pudiquement d’ 'utopie mobilisatrice', voire 'd’espoir de vrai changement'. (...)
http://blogs.rue89.com/riwal-ferry/2012/04/13/melenchon-piege-con-227195

Et Mélenchon ? Lui qui clame partout 'Prenez le pouvoir !' et 'Place au Peuple !', ne pourrait-il pas être la lueur d’espoir dans un coin de ce tableau si noir ? Fort des quelques millions de voix qui vont le soutenir, ne pourrait-il pas à l’avenir 'peser dans la balance' en faveur des faibles, des petits et des exploités ? Encore une fois, regardons les actes. Mélenchon a, il est vrai, tout de l’homme anti-système… à condition de fermer les yeux sur son passé ! En tant que socialiste, il a en effet été successivement rien de moins que conseiller municipal de Massy (1983), conseiller général de l’Essonne (1985), sénateur du même département en 1986, 1995 et 2004, ministre de l’Enseignement professionnel de 2000 à 2002 sous Jospin et député européen en 2009 dans la circonscription du Sud-Ouest. Mais, nous dit-il, il a changé (lui aussi !), il a appris de ses erreurs passées (décidément !). Très bien. Qui est son principal soutien politique actuel ? Le PCF ! Le plus chauvin des partis français, celui dont le 'F' jette une ombre démesurée sur les deux autres toutes petites lettres qui l’accompagnent… (...) Comme ses amis staliniens, Mélenchon prétend défendre les exploités, en paroles, pour mieux protéger les intérêts de sa nation, en actes. Comme ses amis staliniens, Mélenchon discourt de 'la nécessaire solidarité internationale des peuples' coiffé du bonnet phrygien et en scandant les slogans les plus cocardiers, du 'Produisons et consommons français !' au 'Soutenons l’industrie française !'. Monsieur Mélenchon peut bien jouer au pipeau l’air de l’Internationale, il suffit de tendre l’oreille pour entendre que les paroles qu’il nous chante sont sans aucun doute celles de la Marseillaise. Il pourrait presque former un chœur avec 'les  gars de la Marine' (Le Pen)… lui qui pourtant se présente comme le plus grand adversaire du Front national."

April 14, 2012

Both kinds of music (100): Early Earle

Steve Earle aus Fort Monroe, Virginia, war bereits ab 1975 im Umfeld von Guy Clark vor allem als Songwriter in Nashville aktiv. Unter anderem schrieb er Songs für Carl Perkins, Vince Gill und Johnny Lee. Erst Mitte der 1980er, im Zuge des Neotraditionalismus und Rockabilly-Revivals veröffentlichte Earle sein erstes Album Guitar Town. Hiervon der Titelsong:

Auch das zweite Album Exit 0 war wesentlich im Rockabilly-Stil gehalten. Erst mit dem darauf folgenden Album Copperhead Road entwickelte Earle seinen Stil weiter und entwickelte, was er selber als "the world's first blend of heavy metal and bluegrass" bezeichnete. Verbunden wurde dies mit wütenden Texten, oft zur politischen Aktualität. So richtete sich der Titelsong gegen den "war on drugs":

Auf dem Track Johnny come lately wurde Earle von den Pogues begleitet:

In den folgenden Jahren leidete Earles Karriere unter seinem zunehmenden Drogenkonsum, bevor ihm Mitte der 1990er ein Comeback gelang. Auf Earles spätere Werke komme ich zurück.

April 13, 2012

152 Jahre James Ensor



They might be giants - Meet James Ensor (1994). Siehe auch: http://fuerwahrheitundrecht.blogspot.com/2010/04/150-jahre-james-ensor.html

April 07, 2012

Both kinds of music (99): Karrierebeginn mit 45

Einer der Country-Hits des Jahres 1987 war der Titel 80's Ladies der 1942 geborenen KT Oslin, die, nach einer kurzen Zeit als Folksängerin in den 1960ern vor allem als Songautorin im Hintergrund tätig war. 80's Ladies war die zweite Single und der erste Chart-Erfolg und startete ihre eigentliche Karriere als Country-Sängerin.

Dem Single-Erfolg folgte bald ein zweiter mit Do ya, und dem Album 80's Ladies. Im darauf folgenden Jahr 1988 erschien das Album This woman mit gleich vier Single-Auskopplungen. Hiervon der Titel Didn't expect it to go down that way:

KT Oslin war damit eine Zeit lang auf der Spitze des Country-Pop-Genres, wobei im allgemeinen der Country-Gehalt recht gering gehalten war, vor allem im Vergleich zu den zeitgleich florierenden Neotraditionalisten. Nichtsdestotrotz gewann Oslin in den Spätachtzigern alle möglichen Awards als beste Country-Interpretin, so etwa hier 1989 bei den Grammy Awards mit dem Titel Hold me:

142 Jahre Gustav Landauer

...und da er gestern im Mühsam-Text erwähnt wurde, hier ein Auszug aus Landauers "Durch Absonderung zur Gemeinschaft" (etwas Mystik zu Ostern also):

"Wir sagen also: was wirkt, ist gegenwärtig; was wirkt, das stößt und drängt, was wirkt, das übt eine Macht aus, was eine Macht ausübt, ist da, was da ist, ist lebendig. Es ist dieser Anschauung unfaßbar, daß etwas, was längst tot ist, noch wirksam, das heißt tätig sein soll. Jede Ursache ist lebendig, sonst wäre sie keine Ursache. Es gibt keine toten Naturgesetze; es gibt keine Trennung zwischen Ursache und Wirkung: diese beiden müssen aneinander grenzen; Ursache-Wirkung ist ein Fließen von Einem zum Anderen; und wenn das vielleicht um ein Winziges bereicherte Andere wieder zum Einen zurückströmt und so ein ewiges Hin- und Widerfluten entsteht, wird wohl das daraus, was man Wechselwirkung nennt; denn so etwas gibt es, wenn auch die Starren nichts davon wissen wollen. Die Materie ist starr und steif, kein Wunder, daß die Materialisten es auch sind. Dieses Hin und Her des ewig Lebendigen, in dem es kein Abgeschiedenes mehr gibt, weil für Tod und Geschiedenheit kein Raum mehr da ist, ist der Makrokosmos, dessen erschautes Zeichen Goethes Faust zu dem Jubelruf treibt.
Bin ich ein Gott. Mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.

Die wirkende Natur - die natura naturans des Goethemeisters Spinoza, der sie von den Mystikern und Realisten des Mittelalters übernommen hat.
Immer wieder stoßen wir auf diesen Hinweis, daß man Gott werden, daß man, anstatt die Welt zu erkennen, die Welt selbst werden oder sein kann. Es ist die tiefste Umdeutung vielleicht der Christuslegende, vielleicht auch die tiefste Bedeutung dessen, was Jesus selbst gelehrt hat, wenn Meister Eckhart den Gott, der zugleich Menschenkind ist, zu uns sprechen läßt: 'Ich bin euch Mensch gewesen, wenn ihr mir nicht Götter seid, so tut ihr mir Unrecht'. Sehen wir zu, wie wir Götter werden, wie wir die Welt in uns finden können."
(Vortrag, gehalten am 18. Juni 1900 in Friedrichshagen-Berlin)

April 06, 2012

134 Jahre Erich Mühsam

Im Sommer 1900 war ich als Apothekergehilfe im Blomberg, einer kleinen lippe-detmoldischen Stadt im Teutoburger Walde, tätig. Mein Gehalt erlaubte mir das Halten zahlreicher Zeitschriften und die Anschaffung der Bücher, die ich darin empfohlen sah. Der geistige Ertrag der Lektüre wurde in den Briefen zu verarbeiten versucht, die in schneller Folge mit Curt Siegfried gewechselt wurden. Der saß noch in Lübeck und ochste stöhnend an den Kenntnissen, die zum Abiturium zur Auswahl stehen sollten. Er fand aber doch die Zeit, die von mir angepriesene Literatur auf ihren Wert zu prüfen, mir seine Entdeckungen mitzuteilen und die Verse, die ich an meinen freien Tagen auf den Wanderungen zum Arminius-Denkmal der noch ziemlich spröden Muse abrang, mit dem Bestreben zu kritisieren, seine freundschaftliche Bewunderung hinter warnenden Einschränkungen des Lobes zu verbergen. Da gab es Hinweise auf die neueste moderne Lyrik und Ratschläge, was ich von Dehmel und Liliencron, Falke, Dauthendey, Franz Evers und den Allerjüngsten wie Ernst Schur oder Richard Schaukai noch alles lernen könnte. Dabei entspannen sich dann Debatten über die Moderne allgemein und ihre Vertreter in der neuen Dichtung speziell, doch glaubte ich kaum, daß unsere Urteile für die Abschätzung der Literatur um die Jahrhundertwende irgendwie anders brauchbar wären als zur Anstellung von Vergleichen unserer neunzehn- und zweiundzwanzigjährigen Begeisterungsfreudigkeit mit der gleichaltrigen Abgeklärtheit des literarischen Nachwuchses von heute. Vielleicht sind wir Fünfzigjährigen nicht mehr imstande, die Jugend zu begreifen. Aber es will mir scheinen, als ob der Teil der literarisch und künstlerisch bewegten Zwanzigjährigen, dessen Leidenschaften nicht in irgendeiner Richtung von den ungeheuren sozialen Geschehnissen der Gegenwart entflammt sind, den Enthusiasmus und die Fähigkeit zu bedenkenloser Bejahung überhaupt hätte vertrocknen lassen.

Was uns betraf, so war unsere naive Gläubigkeit, unsere Bereitschaft, anzuerkennen, zu bewundern, zu preisen, unbegrenzt. Von wem in der »Gesellschaft«, im »Magazin für Literatur« die Rede war, galt uns als Berühmtheit; zu allem Berühmten aber sahen wir in Ehrfurcht auf. Eine Postkarte von Richard Dehmel, auf der er mir, noch in meiner Lehrlingszeit, für einen hymnischen Brief dankte, war ein beneidenswertes Heiligtum, und als mir Siegfried dann schrieb, er sei in Hamburg gewesen und habe Detlev von Liliencron besucht, der unendlich nett zu ihm gewesen sei, da war es, als hätte sich der Tempel des Ruhmes uns selber erschlossen. Übrigens hat Liliencron dem jungen Lübecker anhaltende Sympathie entgegengebracht. Ich lernte ihn später ebenfalls kennen, und er brachte das Gespräch sofort auf meinen Freund, und nach dem Tode Siegfrieds erhielt ich einen sehr warmen und herzlichen Brief von dem Dichter. Liliencron gehörte zu den Berühmtheiten, die persönlich nicht enttäuschten; er war kindlich glücklich über jedes Lob, das ihm zuteil wurde, kritiklos bereit, selbst zu loben, und völlig frei von Anmaßung, Selbstgerechtigkeit und Neid.

Das letzte Quartal meiner pharmazeutischen Laufbahn war ich in Berlin engagiert, in einer Apotheke am Weddingplatz. Die Absicht, zum 1. Januar 1901 den Beruf aufzugeben, stand schon fest, als ich die Berliner Stelle antrat. Wie das eigentlich sein würde, wenn ich nun mein Brot als freier Schriftsteller suchen sollte, davon hatte ich nur sehr dunkle Vorstellungen. Die wenigen Menschen, denen ich mich anvertraute, rieten mir dringend ab, auch Siegfried, dessen materialistische Besorgnisse mich ärgerten und meinen Trotz versteiften. Hans Land, dem ich mit einem Novellenmanuskript einen Brief mit meinen Nöten und Konflikten schickte, ermahnte mich in der Antwort ausführlich, ich solle das Heer des geistigen Proletariats nicht vermehren helfen. Daß er dazu aber fand, daß meine eingesandte Geschichte »irrelevant« und als Beitrag seiner Wochenschrift abzulehnen sei, das kränkte mich so, daß ich von dem Entschluß, ihn persönlich aufzusuchen, abstand. Ich habe Hans Land erst Jahre später persönlich gesprochen. Er wird wohl erst jetzt erfahren, wieviel Verstimmung er vor siebenundzwanzig Jahren in einer vertrauensvollen und ringenden Seele aufgerührt hat.

Aber gerade in Hans Lands »Das neue Jahrhundert« hatte ich den enthusiastischen Hinweis auf eine Schrift und eine Vereinigung gefunden, die dann für meine Entwicklung und sogar für die Gestaltung meines Lebens größte Bedeutung bekam. Es war die erste Schrift einer beabsichtigten Serie von »Flugschriften zur Begründung einer neuen Weltanschauung«, die unter dem Namen »Das Reich der Erfüllung« von Heinrich Hart und Julius Hart bei Eugen Diederichs herausgegeben war. Ob ich bei der Lektüre der violett kartonierten Schrift den philosophischen Kern der zum Begreifen der All-Einheit aufrufenden Essays »Vom höchsten Wissen« und »Vom Leben im Licht« gut gekaut und solide verdaut habe, bezweifle ich. Aber das weiß ich, daß mich die mystischtrunkene, gonghaft schallende Prosa benebelte: »Vom Wahnsinn wollen wir euch befreien. Apokalyptische Reiter brausen in der Luft. Von den Bergen steigt der Paraklet herab, der Tag des Wieder-Christus bricht an.« Und im Schlußappell »Unsere Gemeinschaft« wurde aufgefordert, die Erkenntnis der Identität von Welt und Ich umzusetzen in Leben und Tat. »Über all die Trennungen hinaus, welche die heutige Menschheit zerklüften, will unsere Gemeinschaft diejenigen zusammenführen, in denen sich klares Schauen, reife Einsicht mit dem festen Willen verbindet, die neue Weltanschauung zu leben und das höchste Kulturideal zu verwirklichen.« Wer nähere Mitteilungen haben wollte, sollte sich bei einem der Brüder Hart melden. Da der feste Wille, das höchste Kulturideal zu verwirklichen, bei mir vorhanden war, ich auch in mein klares Schauen und meine reife Einsicht keine Zweifel setzte, so schrieb ich an Heinrich Hart und war so glücklich, postwendend von ihm eine sehr freundlich gehaltene Antwort zu erhalten, in der er mich aufforderte, ihn zu besuchen. Der nächste freie Nachmittag sah mich zum ersten Male in der drei Stock hoch gelegenen Mietswohnung eines berühmten Mannes, in der Rönnestraße 11. Das wird im Dezember 1900 gewesen sein.

Heinrich Hart schien meine Befangenheit gar nicht zu bemerken. Er behandelte mich wie einen Gleichaltrigen und Gleichklugen und berichtete von den Veranstaltungen, die die Neue Gemeinschaft schon geleistet hatte, von denen, die demnächst folgen sollten, von der Wohnung in der Uhlandstraße, wo bald im eigenen Heim Vorträge und gesellige Zusammenkünfte neue Menschen zu neuem Leben vereinigen würden, bis ein großes Landgut erworben werden könne, und da sollten wir dann als Vorläufer einer in sozialer Verbundenheit wirkenden großen Commune der Menschheit eine Gemeinschaft des Glücks, der Schönheit, der Kunst und der von neuer Religiosität erfüllten Weihe »vorleben«. Ich war aufs höchste begeistert von all den herrlichen Aussichten und auch von dem Mann, der so gläubig und von seiner Mission erfüllt, und dabei doch so klar und stellenweise sogar humorvoll in seiner harten westfälischen Aussprache mir jungem Menschen seine Ideen und Pläne darlegte. Dann fragte er mich nach meinen eigenen Angelegenheiten, und als ich ihm nun erzählte, daß mir die Apothekerei bis zum Halse stehe, daß ich die Berufung zum Dichter in mir fühle, daß ich deshalb meine Existenz als freier Schriftsteller führen wolle, daß mir aber von allen Seiten abgeraten und die schrecklichste Enttäuschung prophezeit würde, da rief er fröhlich: »Unsinn! Wenn Sie keine Angst haben vor ein bißchen Hunger und ein paar Fehlschlagen, dann tun Sie getrost, was Sie ja doch tun müssen. Wie kann man denn einem Menschen von dem abraten, wozu es ihn drängt!« Er stellte mir seinen Rat zur Verfügung, ermunterte mich, ihm meine Gedichte zu bringen, und lud mich ein, zur Eröffnung des Gemeinschaftsheims und zu dem Vortrag zu kommen, den Gustav Landauer an dem und dem Tage im Architektenhause über Tolstoi halten werde. Beim Abschied schenkte er mir die zweite Flugschrift vom »Reich der Erfüllung«: Die Neue Gemeinschaft, ein Orden vom wahren Leben. Vorträge und Ansprachen, gehalten bei den Weihefesten, den Versammlungen und Liebesmahlen der Neuen Gemeinschaft mit Beiträgen von Heinrich Hart, Julius Hart, Gustav Landauer und Felix Hollaender.

Beglückt zurückgekehrt an meine Arbeitsstätte am Wedding, stürzte ich mich auf das Buch. Darin aber fand ich einen Aufsatz, den ich fünf-, sechsmal hintereinander las, der mich erschütterte, aufwühlte, überwältigte und mit einer Klarheit erfüllte, die mir zugleich zeigte, wie wenig Klarheit ich aus den Hymnen und Lyrismen des ersten Bändchens gewonnen hatte. Den Namen des Verfassers dieses Aufsatzes kannte ich bis dahin noch nicht, diese Berühmtheit war meinem und offenbar auch Curt Siegfrieds literarischem Spürgeist entgangen, und ich ahnte auch jetzt noch nicht, wie schlechthin entscheidend für mich der geistige Einfluß und die bis zu seinem gewaltsamen Tode anhaltende Freundschaft mit der Persönlichkeit werden sollte, die hier als Autor der Arbeit »Durch Absonderung zur Gemeinschaft« zum ersten Male in meine werdende Welt trat. Es war Gustav Landauer. Die von Heinrich und Julius Hart in den violetten Heften zuerst publizierte Arbeit aber hat Landauer später in sein Werk »Skepsis und Mystik« übernommen, ein Buch, dessen wesentlicher Inhalt bezeichnenderweise gerade eine scharfe Polemik gegen Julius Harts verschwommene Philosophie vom Neuen Gott und von der neuen Weltanschauung ausmacht. Der Eindruck, den ich von Landauers revolutionär-philosophischem Aufsatz erhielt, vertiefte sich noch, als ich seine Vorträge über Tolstoi und Nietzsche hörte. Welche Wege mich dieser große Denker und Mensch geführt hat, als in kurzer Zeit die persönliche, bald sehr nahe menschliche Beziehung sich auswirkte, wieviel Grund ich habe, dem Freunde, der mein Lehrer war, dankbar zu sein, davon zu sprechen würde sofort in Gebiete führen, die hier nicht berührt werden sollen.

Am 1. Januar 1901 bezog ich, nunmehr professioneller deutscher Dichter, ein Zimmer in der Wilsnacker Straße. Ich kannte nun schon verschiedene Berühmtheiten persönlich und konnte die Namen, vor denen ich mich bisher verbeugt hatte, mit den Menschen vergleichen, die ihre Träger waren. Die ersten Veranstaltungen der Neuen Gemeinschaft, an denen ich teilgenommen hatte, führten sofort Bekanntschaften herbei. Heinrich Hart stellte mich seinem Bruder Julius vor. Ich wurde zur Betreuung dem Photographen Fritz Löscher übergeben, einem Bekenner konsequentesten Tolstoianertums, dessen schöne Frau Ida die erste Werkstatt für moderne Frauenbekleidung eröffnet hatte, aus welcher in meiner Erinnerung alle die violettsamtenen hängenden Gewänder der dem Reiche der Erfüllung zustrebenden Damen hervorgingen. Durch Löscher lernte ich die Gemeinschaftsanhänger kennen, die dem »Orden vom wahren Leben« sozusagen als dienende Brüder die Kleinarbeit besorgten, Arbeiter und Künstler, auch Kaufleute, junge Mädchen und Idealisten aller Art. Sie hielten im Architektenhause Tür- und Kassenwacht, führten die Vortragsbesucher zu ihren Plätzen, verkauften Broschüren und verteilten Zettel und Programme.

Einer der Handzettel stellte einen Sonderdruck eines Gedichtes an Böcklin dar, der eben gestorben war. Es war von Peter Hille, von dem ich höchstens einmal den Namen gelesen haben mochte. Das Gedicht war prachtvoll, man erlebte darin die ganze Phantasie der Böcklinschen Schöpfungen, und das seltsame Pathos der lose gebundenen Rhythmen mit der Häufung kühner und unbeschreiblich sinnfälliger Wortbilder – »Ein frohes Tosen wiehert der Stromsturz nieder«, »... des Wageblutes Scharlachtürme ...«, »... zypressendichter Schlaf ...« – ergriff mich mächtig. Der Dichter aber, den bartumwallten riesigen Kopf mit den verträumten Kinderaugen gnomenhaft über dem zarten schlanken Körper, begrüßte die Helfer am Türeingang und gab, seinen Namen nennend, auch mir die Hand, eine zierliche, durchsichtige, verblüffend kleine Frauenhand. Wir gingen miteinander vom Architektenhaus zu Fuß nach Hause, das heißt, ich begleitete ihn zur Kesselstraße, lief noch eine Stunde im Gespräch mit ihm die Chausseestraße auf und ab und schwenkte dann nach Moabit heimwärts. Wir waren Freunde geworden.

Ja, der Respekt vor Namen ging mir schnell verloren, als ich – und gleich in Massen – mit den Individuen in Berührung kam, die ihnen zur Berühmtheit verholfen hatten. Doch das ist nicht wahr, daß in der Regel menschliche Armseligkeit und Kleinlichkeit die Illusionen zerstöre, die man sich von den Schöpfern bewunderter Werke zu machen pflegt. Was mich anlangt, so war ich fast immer glücklich, die Dichter und Künstler, deren Arbeiten mich innerlich bereichert hatten, als Menschen von Fleisch und Blut kennenzulernen. Die Desillusionierung bestand in der erfreulichen Wahrnehmung, daß die in knabenhafter Provinznaivität erwartete Höhe und Würde, welche die Vertraulichkeit entfernt, niemals bei anderen Berühmtheiten zutage trat als bei solchen, die ihren vergänglichen Ruhm selber künstlich aufgeblasen hatten und deren Leistungen keine Betrachtung sub specie aeternitatis zuließen. Eitel insofern, als sie ihren Wert unterschätzt empfanden und dadurch monomanisch, egozentrisch, überkritisch gegen andere und selbst mißgünstig wurden, habe ich manchen großen Künstler getroffen, aber stelzbeinig eingebildet und andauernd auf bedeutenden Mann posierend keinen, der bedeutend war. Was für Prachtmenschen waren die Harts! Julius Hart, ewig in seligster Seid-umschlungen-Stimmung, schwelgend in der Lust seiner All-Einheits-Erkenntnisse und im Glück, den Gästen die von Fidus und dem Bildhauer Metzner geschmückten Räume der Uhlandstraßenwohnung vorführen zu können, wo nun alle Gegensätze praktisch überwunden werden sollten, küßte Männer und Frauen, duzte jeden, der sich mit ihm freute und verbat sich das Sie, und der Bruder strahlte neben ihm, etwas gehaltener, mit einem kleinen Stich Selbstironie, aber ebenso voll inniger Festlichkeit, voll strömender Gastgeberfreude. Das Brüderpaar – die fröhlichste Kreuzung von Weinwirten und Religionsstiftern.

Und Fidus! Er sah aus wie ein nach eigenem Entwurf gearbeiteter Faun. Ging es feierlich zu, dann war er der Feierlichste, ganz ergriffen, ganz hingegeben. Im Moment aber, wo die Feierlichkeit vorbei war, riß er Kalauer, die einen Hund zum Heulen gebracht hätten. Dies hinderte ihn nicht, meine Witze unter Schmerzenslauten und mit der Behauptung zu verfluchen: »Mühsam liegt schon seit zwei Stunden auf der Kalauer!« ...

Namen und Menschen! Alles, was Namen hatte, ging damals gelegentlich oder regelmäßig zur Tür der Neuen Gemeinschafts-Wohnung hinein und wieder hinaus, und ich gewöhnte mich, nie mehr Namen, immer nur Menschen zu sehen. Da kamen Dichter und Schriftsteller wie Cäsar Flaischlen, John Henry Mackay, Bruno Wille, Wilhelm Bölsche, Karl Henckell, Wilhelm Hegeler, Max Kretzer; Maler und Bildhauer wie Franz Metzner, Max und Oskar Kruse, Oskar Zwintscher und viele andere; Bühnenkünstler wie Kayßler, Reinhardt, Gertrud Eysoldt, Irene Triesch. Einmal erschien auch Ernst Haeckel als Gast, und in besonders deutlicher Erinnerung ist mir ein Vormittag, als ich, mit einer blauen Schürze bekleidet, den Boden fegte und es zu so ungewohnter Zeit klingelte. Ich öffnete, da stand vor mir Bernhard Kampffmeyer, der Begründer der deutschen Gartenstadtgesellschaft, und neben ihm ein alter freundlicher Herr: Elisée Reclus, der große französische Gelehrte und Revolutionär, und fragte mich aus, aber was wir besprachen – ich war nämlich schon aufmerksamer Schüler Landauers –, das gehört wieder nicht hierher. Nur soviel darf ich hier noch sagen, daß ich mich zeitlebens freuen werde, diesen großen Menschen nicht bloß als Namen verehren zu müssen.
"Namen und Menschen", in Ausgewählte Werke, Bd. 2: Publizistik. Unpolitische Erinnerungen, Berlin 1978, S.497-505.

April 04, 2012

193 Jahre William Batchelder Greene

"Economic laws creating privileges are usually enacted at the instance of persons intent upon private interest, and for temporary purposes, without foresight of the permanent privileges which those laws create. For example, the banking-laws were passed in the interests of the stockholders and officers of the banks, without any special intention, or even thought, of annoying the working-people in their exchanges of labor for labor. The giving-away of the public lands was, and is, for the purpose of enriching the persons who received them, and are receiving them, not for the purpose of leaving future generations of working-men without homes. The immediate purpose is to cheat and rob the people, not to enslave them. The whole thing is one of shortsighted avarice, rather than of concerted ambition; and the subjection of the laborer comes incidentally only, and 'without observation'. The servitude of the working-class is of indirect but efficacious LEGAL origin: the emancipation of the working-class must come, therefore, the nature of the State being what it now is, from political action, resulting, not in the making of new laws,—for very few new laws, perhaps none, are called for,—but in the repeal of all existing laws that breed and hatch out privileges. It is for this reason that 'the achievement of political supremacy by the working-class has become A DUTY'.

The members of the International are no office-seekers. They are confident, that, with the abolition of privileges, nine-tenths of the existing political offices, since they are constituted as privileges, and with a view to the protection of privileges, will also be abolished. The abolition of privileges would also abolish the necessity for ninety-nine one-hundredths of the current legislation. Many members of the International maintain that office-holders should no longer be paid, as they are now, fancy salaries, but that they should be paid, like other working-men, simple working-men's wages. This plan succeeded well in the Commune of Paris, during the siege, and provided a superior class of public functionaries. Better men, and more competent men, taken directly from the working-class, were hired by the Commune, at a dollar and a half per day, than had been hired by the old governments at five times those wages. If special honor is attached to any position, that honor should be counted as a part of the wages; and the pay in money should be proportionably less. If there were no privileges to be protected, the necessities for political government would go on gradually diminishing; and the social autonomy of the people would gradually establish itself outside of the government. 'The best government is the government which governs least'. The public treasury ought to be kept at all times nearly empty, so that knaves and adventurers may not be tempted to thrust their fingers into it. The people should be rich, and the government should be very poor. The triumph of the International would throw an effectual wet blanket on the existing lust for public positions, and would cause a return to productive pursuits, and to day's wages, of many very brilliant, but now worse than useless, members of society. (...) The evil of the existing system is this: not that the working-people work for wages, but that wages are not regulated according to amounts of real labor performed, and that the highest wages are paid to persons who do no real work, or very little work, or work extremely deleterious to the community."
(aus: Adress of the Internationals, Broschüre der "Boston Section, No. 1 (french-speaking)" der ersten Internationale, verfasst von William B. Greene, 1873).