August 08, 2010

Inception

Zur Abwechslung versuche ich mich mal in Filmverriss, ab sofort gilt also SPOILER-Alarm, zumindest für diejenigen, die Inception noch nicht gesehen haben, und noch sehen wollen.

Inception gehört zu jenen Filmen, die man offenbar gesehen haben muss, um mitreden zu können (ähnlich wie zuvor Avatar oder Matrix). Während das akademisch gebildete Kommentariat bereits den Laptop angeschmissen hat, um dem Film mit Zitaten aus Lacan, Derrida, Deleuze und Guattari, Barthes oder Baudrillard diskurstechnisch beizukommen, wundert sich der gemeine Science Fiction-Leser, der sich bereits als Pubertierender alle Philip K. Dick-Bände aus der Stadtbibliothek ausgeliehen hat, was die ganze Aufregung eigentlich soll. Der Basisplot des Films besteht darin, dass der Alleinerbe eines Großkonzerns mittels im Traum zugeflüsterter Ideen (darin besteht die "Inzeption"), dazu gebracht werden soll, zu glauben, es sei seines Vaters letzter Wille gewesen, dass er einen "eigenen" Weg einschlagen solle, und infolgedessen das Unternehmen auflöst. So weit, so unsinnig: man stelle sich die Reaktionen von Führungsgremien, Aktionären, Gewerkschaften, Konkurrenten und der Regierung vor, wenn Aditya Mittal nach dem Tod Lakshmis die Auflösung von ArcelorMittal bekannt geben würde, mit der Begründung dieser hätte ihm im Traum zugeflüstert, er solle irgendwas anderes aus seinem Leben machen!

Dass der Plot des Films also wesentlich auf Nonsens beruht, ist allerdings noch zu verkraften, da dies nur der Rahmen für das eigentliche Thema des Films ist, nämlich die Beziehung zwischen Dom Cobb (Leonardo di Caprio) und seiner verstorbenen Ehefrau Mal (Marion Cotillard), die nur noch als "Traumschatten" ihrer selbst existiert. Wer sich jetzt an Solaris von Stanislaw Lem erinnert fühlt, liegt gar nicht falsch. Tatsächlich ist der Film, der von der Filmkritik wegen seiner "Originalität" gefeiert wurde, wenig mehr als eine Variation des bereits von Tarkowski und Soderbergh verfilmten Solaris-Stoffes, allerdings mit deutlich mehr Action-Szenen. Die "Action" im Film besteht dabei aus den üblichen Verfolgungsjagden und Ballereien, diese sind allerdings eher schlecht choreographiert und bieten wenig neues gegenüber vergleichbaren Hollywood-Produktionen. Ein wenig Dynamik gewinnen sie höchstens dadurch, dass ständig zwischen vier verschiedenen Traumlevels (in denen die Zeit verschieden schnell abläuft) hin und her geswitcht wird. 

Wer sich nun allerdings ausgefeilte dreamscapes erhofft hat, oder psychedelisches wie bei Tarkowski, liegt allerdings falsch: "Träume" finden für die Macher des Films, aller empirischen Erfahrungen zum Trotz, in sehr irdischer Umgebung statt, in der nur selten etwas wirklich Unvorsehbares, etwa als Gag eingebaute Escherismen oder ein auf der Straße fahrender Lastzug, passiert. Träume reduzieren sich auf virtual realities, die eingebauten "Träume in Träumen" erinnern eher an verschiedene Levels in einem Videospiel. Dementsprechend bedarf es offenbar studierter Architekten um dreamscapes zu konstruieren; wobei man sagen muss, dass die Traumarchitektin, die allen Ernstes  - welch tiefschürfende Symbolik... - "Ariadne" heißt (Ellen Page), mit Abstand die interessanteste Figur im Film ist, auch wenn ihre Entscheidungen oft recht plot-driven sind. Es fällt hingegen schwer, irgendwelche Empathie mit dem "Helden" des Films, also Di Caprio alias Dom Cabb, zu empfinden, verbringt dieser doch einen Großteil des Films damit, sich in Selbstmitleid zu zerfleischen. Die übrigen Charaktere bleiben blass und schablonenhaft. Das Ende des Films schließlich entspricht im wesentlichen der üblichen Pointe einer in einer Traum- oder Virtual Reality-Welt angesiedelten Kurzgeschichte eines x-beliebigen SF-Nachwuchsautors: es bleibt unklar, ob die vermeintliche Rückkehr in die "Realität" nicht bloß ein weiterer Traum, eine weitere Illusion ist. 

Fazit: mich hat der Film nach Nolans jüngsten Werken und der überragend positiven Kritik doch sehr enttäuscht. Weder vom Plot noch von der Machart her den Hype wert, der gegenwärtig dazu abläuft.

2 Kommentare:

nestor hat gesagt…

P.S.: http://www.sfsignal.com/archives/2010/08/parody-inception-characters-dont-understand-inception/

Alicia hat gesagt…

Have you seen it? I was disappointed. The story could have been treated a lot better, but unfortunately it was more focused on special effects and violent scenes.

In any case, the movie makers have arrived late. We already are in a world where ideas are implanted in our minds, in a lot less sophisticated way.

:-(