"Es gab immer Widerstand gegen staatliche Kontrollen - wofür die Ideologie des laissez-faire als Beispiel steht -, doch der gegenwärtige objektive Konflikt zwischen Staat und Unternehmertum weist wegen des im Verhältnis zur allgemeinen Kapitalexpansion schnelleren Wachstums staatlich induzierter Produktion einen anderen Charakter auf. Der quantitative Wandel deutet auf eine unerwünschten, doch unvermeidlichen qualitativen Wandel hin, da ausgedehnte staatliche Kontrolle der Wirtschaft das Ende des Privatunternehmens ankündigt.[hier war Mattick 1969 dann doch leicht voreilig...]. Dieser objektive Gegensatz von staatlicher Kontrolle und Privatkapital ist noch undurchsichtig; er erscheint als subjektive Kooperation von Regierung und Geschäftswelt in der marktbestimmten Wirtschaft. Die 'Zusammenarbeit' ist nur möglich, weil in ihr immer noch die Maßnahmen der Regierung den besonderen Bedürfnissen des big business untergeordnet werden. Aber diese besonderen Bedürfnisse widersprechen den allgemeinen gesellschaftlichen Notwendigkeiten, und die dadurch freigesetzten gesellschaftlichen Konflikte werden zu Konflikten um die ökonomische Rolle des Staates werden, d.h. politische Kämpfe um die Kontrolle des Staates sein, um seine Intervention in die Wirtschaft entweder zu beschränken oder auszudehnen.
Wenn die ökonomische Rolle des Staates auch die Gesamtwirtschaft in einen 'öffentlichen' und einen 'privaten Sektor' zu teilen scheint, gibt es in Wirklichkeit natürlich nur eine Wirtschaft, in die der Staat interveniert; nicht Staatseigentum, sondern staatliche Kontrolle kennzeichnet das gemischte Wirtschaftssystem. Zusätzlich dazu hat sicherlich das unmittelbare Staatseigentum einen bedeutsamen und wachsenden Umfang; wie es auch schon im laissez-faire-Kapitalismus Staatseigentum gab. Aber ganz gleich wie selbsterhaltend, selbstliquidierend oder sogar profitabel einige staatliche Unternehmen sind: der Staat fordert einen immer größeren Anteil am privat produzierten Reichtum.
Der 'gemischte' Charakter des gegenwärtigen Kapitalismus ist also nur ein Schein, der sich daraus ergibt, daß staatlich induzierte Produktion die Gesamtwirtschaft stimuliert. Es ist offensichtlich, daß durch öffentliche Arbeiten und Produktion für Verschwendung Maschinerie, Materialien und Arbeitskräfte genutzt werden können. Die Produktion wird generell gesteigert, da die Initiative der Regierung zusätzliche Märkte für alle Kapitale schafft, die an der Produktion von Gütern beteiligt sind, die in die staatlich induzierte Produktion eingehen, einschließlich der Konsumgüter für die in ihr beschäftigten Arbeiter. Das Endprodukt der staatlich induzierten Produktion, das aus einer langen Kette dazwischenliegender Produktionsprozesse resultiert, hat jedoch nicht die Form einer Ware, die auf dem Markt gewinnbringend verkauft werden könnte. Was immer in seine Produktion einging, zählt zu seinen Produktionskosten, und kann nicht über einen Verkaufspreis wieder eingebracht werden, weil es keine Käufer für öffentliche Arbeiten und Verschwendung gibt.
Dennoch erscheint diese 'Doppel'wirtschaft mit ihrem öffentlichen und privaten Sektor als 'gemischtes' Wirtschaftssystem, das sowohl dem Privatkapital als auch der Gesamtgesellschaft nützt. Obwohl jeder Sektor seine eigene Tendenz hat, da der eigene gewinnbringend ist und der andere nicht, sind sie dennoch im wirklichen Produktions- und Tauschprozeß untrennbar miteinander verknüpft. Aus praktischen Gründen ist das Wirtschaftssystem also ein 'gemischtes', selbst wenn staatlich induzierte Produktion zum Gesamtprofit der gesellschaftlichen Gesamtproduktion nichts hinzufügen, sondern nur etwas davon abziehen kann."
Paul Mattick, Marx und Keynes. Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssystems", Frankfurt am Main, 1971, S.165-166.
Abschließend sei noch auf die französische Übersetzung verwiesen, die vor kurzem bei Gallimard erschienen ist.
1 Kommentar:
Matticks Reaktion auf den theoretischen Bankrott des Keynesianismus angesichts der "Stagflation" der 1970er auf Raum gegen Zement: http://raumgegenzement.blogsport.de/2010/03/11/paul-mattick-weltwirtschaftskrise-und-arbeiterbewegung-1975/
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