Am 4. November hat das Bundesverfassungsgericht einen recht schwerwiegenden Beschluss verabschiedet: im Wesentlichen ist für alle Verherrlicher des „Dritten Reiches“ nun de facto ein Sonderrecht eingeräumt worden. Meinungsäußerungen von Nazis sind demzufolge nicht mehr im gleichen Maß vom Grundgesetz geschützt als alle anderen Meinungsäußerungen. Argumentiert wird dies (ich zitiere nach der Pressemitteilung) wie folgt:
„Grundsätzlich sind Eingriffe in die Meinungsfreiheit nur zulässig auf der Basis eines allgemeinen Gesetzes gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG. Ein meinungsbeschränkendes Gesetz ist unzulässiges Sonderrecht, wenn es nicht hinreichend offen gefasst ist und sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet. (…)
Angesichts des Unrechts und Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft verursacht hat, ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts immanent. Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden. Die Erfahrungen aus der Zerstörung aller zivilisatorischen Errungenschaften durch die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft prägen die gesamte Nachkriegsordnung und die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Völkergemeinschaft bis heute nachhaltig. “ (ich unterstreiche)
Damit hat, auch wenn das BVerfG anschließend argumentiert, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird und „kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ zulässig ist, das Gericht im Wesentlichen den alten Antifa-Satz „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ in die Jurisprudenz aufgenommen. Die subjektivistische Grundlage der Argumentation (zugespitzt noch im Urteil selber: „Von dem Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ist eine Ausnahme anzuerkennen für Vorschriften, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen. Das menschenverachtende Regime dieser Zeit, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat, hat für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist und allein auf der Grundlage allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden kann.“), lädt natürlich auch zur Überlegung ein, ob die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft denn wirklich so einzigartig war, oder ob man nicht, „angesichts des Unrechts und Schreckens“, morgen ganz ähnlich zugunsten der Beschränkung der Meinungsfreiheit von Kommunisten argumentieren könnte. Antizionistisch eingestellte Richter könnten angesichts des Unrechts und Schreckens, die der Staat Israel gegenüber den Palästinensern verbreitet, ein Sonderrecht für Israelunterstützer einräumen, oder umgekehrt könnte das von Fatah, Hamas und co. veranstaltete Unrecht als Begründung eines Verbots von Soli-Demonstrationen für Palästina herhalten.
Vor allem aber bedenkenswert an dem Urteil überhaupt ist der Rückgriff auf den Begriff des Sonderrechts. Indem man für Nazis nicht mehr den Gleichheitsgrundsatz gelten lässt, und dies auch noch aus der „identitätsbegründenden“ Gegenüberstellung der Bundesrepublik und der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft ableitet, sagt man eigentlich, dass die Nazis zwar Staatsbürger sein mögen, jedoch nicht zur bundesrepublikanischen Volksgemeinschaft gehören. In diesem Sinn macht das BVerfG im Namen der Bekämpfung des Nationalsozialismus einen großen Schritt in Richtung der Rechtslehre und -praxis des „Dritten Reiches“, die gerade auf dem Sonderrecht für alle möglichen Gruppen (Juden, „Fremdvölkische“, „Asoziale“ usw.) aufbauten.
(crossposting auf L for Liberty)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen