April 07, 2012

142 Jahre Gustav Landauer

...und da er gestern im Mühsam-Text erwähnt wurde, hier ein Auszug aus Landauers "Durch Absonderung zur Gemeinschaft" (etwas Mystik zu Ostern also):

"Wir sagen also: was wirkt, ist gegenwärtig; was wirkt, das stößt und drängt, was wirkt, das übt eine Macht aus, was eine Macht ausübt, ist da, was da ist, ist lebendig. Es ist dieser Anschauung unfaßbar, daß etwas, was längst tot ist, noch wirksam, das heißt tätig sein soll. Jede Ursache ist lebendig, sonst wäre sie keine Ursache. Es gibt keine toten Naturgesetze; es gibt keine Trennung zwischen Ursache und Wirkung: diese beiden müssen aneinander grenzen; Ursache-Wirkung ist ein Fließen von Einem zum Anderen; und wenn das vielleicht um ein Winziges bereicherte Andere wieder zum Einen zurückströmt und so ein ewiges Hin- und Widerfluten entsteht, wird wohl das daraus, was man Wechselwirkung nennt; denn so etwas gibt es, wenn auch die Starren nichts davon wissen wollen. Die Materie ist starr und steif, kein Wunder, daß die Materialisten es auch sind. Dieses Hin und Her des ewig Lebendigen, in dem es kein Abgeschiedenes mehr gibt, weil für Tod und Geschiedenheit kein Raum mehr da ist, ist der Makrokosmos, dessen erschautes Zeichen Goethes Faust zu dem Jubelruf treibt.
Bin ich ein Gott. Mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.

Die wirkende Natur - die natura naturans des Goethemeisters Spinoza, der sie von den Mystikern und Realisten des Mittelalters übernommen hat.
Immer wieder stoßen wir auf diesen Hinweis, daß man Gott werden, daß man, anstatt die Welt zu erkennen, die Welt selbst werden oder sein kann. Es ist die tiefste Umdeutung vielleicht der Christuslegende, vielleicht auch die tiefste Bedeutung dessen, was Jesus selbst gelehrt hat, wenn Meister Eckhart den Gott, der zugleich Menschenkind ist, zu uns sprechen läßt: 'Ich bin euch Mensch gewesen, wenn ihr mir nicht Götter seid, so tut ihr mir Unrecht'. Sehen wir zu, wie wir Götter werden, wie wir die Welt in uns finden können."
(Vortrag, gehalten am 18. Juni 1900 in Friedrichshagen-Berlin)

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