Februar 14, 2011

You've come a long way, baby

...obwohl, von der Tendenz her geht es zweimal gegen Gleichheit:

Norbert W. Bolz, 1976:
"[Zitat Dickens:] 'So hell und fröhlich alles schien, es war dennoch etwas Schwermütiges in diesen langen, verlassenen Straßen, aus denen, wie aus seelenlosen Körpern, der gewohnte Rhythmus und Ausdruck entwichen war, nur eine totale Gleichförmigkeit zurücklassend, die sie alle einander gleichmachte'.
Solche Gleichförmigkeit ist das Produkt der leblosen Mechanik des Kapitalismus, der jedes Alltagsschicksal bis zur Unausweichlichkeit präformiert. Gleichheit, die einmal revolutionäre Forderung des Bürgertums, wird zu einer vor dem Tod und der minimalsten Bedürfnisse - und nur dies bietet der kapitalistische Staat: 'das Existenzminimum zum Leben, und das Schlachtfeld für den Tod' [Max Weber, Gesammelte politische Schriften, 3. Auflage, Tübingen, 1971, S.268]. In diesem Geiste hat Max Weber 'die absolut unentrinnbare Gebanntheit unserer ganzen Existenz (...) der schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens: dem Kapitalismus' [Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, I, fünfte Auflage, Tübingen, 1963, S.3f.] angelastet. Schicksalhaft ist der Gang kapitalistischer Rationalität, die blinde Logik der Kapitalexpansion und der erbarmungslose Primat von Rentabilität."
Geschichtsphilosophie des Ästhetischen. Hermeneutische Rekonstruktion der "Noten zur Literatur" Th. W. Adornos, Diss. FU Berlin, 1976, S.495.

Norbert Bolz, 2009 [das mittige Dabbeljuh gab der Autor in den 1980ern irgendwann auf]:
"Das typisch antibürgerliche Ressentiment des Intellektuellen entsteht durch das Ungleichgewicht von Status und Einkommen.
Die Geburt des Linksintellektuellen aus dem Hass auf den erfolgreichen Bürger - wir konnten das in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts noch einmal miterleben. Seine Gefühlswelt ist geprägt von der Denunziation der Leistung, des Erfolgs, der Exzellenz und der Dämonisierung des Wettbewerbs und des Profitmotivs. Jede Wirtschaftskrise wird hier dankbar aufgenommen, um den Untergang des Kapitalismus anzusagen und im Namen der Menschheit Gerechtigkeit als Gleichheit zu fordern. Doch hinter der Gleichheitspredigt steckt die Rachsucht (...)."
Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau, München, 2009, S.29.

Mir dünkt, der Autor spricht (auch) über sich selbst...
Eine ironische Analogie hierzu findet man übrigens in der jungbolzschen Sicht des stalinisierten Lukács, der ein "Autodafé des eigenen Frühwerks" abgeliefert habe: "die 'Zerstörung der Ver[n]unft' gerät Lukács ungewollt zur Autobiographie (...)." (Geschichtsphilosophie des Ästhetischen..., S.248).

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