Oktober 25, 2012

206 Jahre Max Stirner

Berlin, 24. Sept. Sie haben eine Ungerechtigkeit wieder gut zu machen, die ein Correspondent Ihrer Zeitung (Nr. 262) beging. Er befürchtete, dass durch die neueste Caricatur, welche den Umsturz des Kreuzes vorstellt, auch andere harmlosere Caricaturen leiden möchten. Er fand sie schlecht, weil sie etwas Heiliges dem Spotte preisgebe, woran Millionen Herzen mit Inbrunst hingen. Das Gesetz verpönt solche Angriffe allerdings, die Vernunft aber kann das Verbot nicht rechtfertigen. Ist etwas in dem Sinne heilig, dass es vernünftig ist, so weiss es den Spott zu ertragen und – muss ihn tragen, denn erst daran, dass es die Widerwilligen, die seiner spotten, durch den Nachdruck seiner überzeugenden Wahrheit endlich gewinnt, bewährt es sich selbst. Das wäre mir ein sauberer Heiliger, der gegen die Spötter – die Polizei zu Hülfe riefe! Aber Ihr Correspondent will ja die Angriffe auf das Heilige der „Wissenschaft“ überlassen wissen, damit nur „der Pöbel es nicht verlache.“ Ist denn Das, was man so das Heilige nennt, nur für die Elite der Gesellschaft vorhanden? Für wen war denn die Diana von Ephesus heilig? Demetrius klagt gegen Paulus, „dass der Tempel der grossen Diana für nichts geachtet und ihre Majestät untergehen werde, welcher doch ganz Asia und der Weltkreis Gottesdienst erzeigt“. Für ganz Asia und den Weltkreis ist sie „heilig“, und Paulus hätte, um diese Heiligkeit als eine Nichtigkeit aufzudecken, die ganze Sache nur unter den Schriftgelehrten ausfechten sollen? Sodann findet es der Correspondent auch noch ganz natürlich, dass eine solche Caricatur des Hohns von allem Humor entblösst sei. Heisst Humor so viel als unschuldige Harmlosigkeit, so trifft der Vorwurf allerdings; aber der Humor der Weltgeschichte ist auch ein Humor der Entrüstung.
(Korrespondenz in der Leipziger Allgemeinen Zeitung Nr. 270 vom 27. September 1842; nach Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen auf die Kritik seines Werkes: „Der Einzige und sein Eigenthum“ aus den Jahren 1842–1848, 2. Auflage, Berlin 1914, S.175.)

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