März 18, 2010

Marx über Staatsschuld und Steuerwesen

"Ghost Gallery", aus Jumbo Comics #143, Januar 1951, Zeichnungen: Jack Kamen

In seinem "Pour l'impôt!" titulierten Artikel in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Forum schreibt der "Déi Lénk"-Abgeordnete André Hoffmann, mit Rückgriff auf das Manifest der kommunistischen Partei, dass Marx und Engels 1847 als eine der Hauptmaßnahmen zur "Umwälzung der ganzen Produktionsweise" eine "starke Progressivsteuer" vorsehen (MEW 4, S.481). Marx kann also für Hoffmann als Unterstützer eines "umverteilenden" Steuersystems herangezogen werden.
I beg to differ. Diese Forderung des Bundes der Kommunisten steht in Marx' Werken tatsächlich reichlich isoliert da. Man beachte folgende Zitate  zum Steuerwesen und zur Staatsschuld aus verschiedenen Schaffensperioden (mit Dank an das Karl-Marx-Lexikon):

"Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge erhöhte Steuern. Andererseits zwingt die durch Anhäufung nacheinander eingegangener Schulden verursachte Steuererhöhung die Regierung, bei neuen außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen. Die modernen Staatsfinanzen, deren Drehungsachse die Steuern auf die notwendigsten Lebensmittel (also deren Verteuerung) bilden, trägt daher in sich selbst den Keim automatischer Progression. Die Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip." (Kapital I [1867], MEW 23, S.784)

"Um den dialektischen Übergang zu den Steuern zu machen, die nach dem Monopol kommen, erzählt uns Herr Proudhon von dem Genius der Gesellschaft, der, nachdem er unerschrocken seinen Zickzackweg gegangen, nachdem er,
'ohne Reue und ohne Zaudern, mit sicherem Schritt, bei der Ecke des Monopols angelangt ist, einen melancholischen Blick nach rückwärts wirft und nach einer tiefen Überlegung alle Gegenstände der Produktion mit Steuern belegt und eine ganze administrative Organisation schafft, damit alle Stellungen dem Proletariat ausgeliefert und von den Männern des Monopols bezahlt werden'. [(Système des contradictions économiques) I, S. 284-285.]
Was soll man zu diesem Genius sagen, der ungefrühstückt im Zickzack spaziert? Und was zu diesem Spaziergang, der keinen anderen Zweck haben soll, als die Bourgeois durch die Steuern zu vernichten, während gerade die Steuern den Zweck haben, den Bourgeois die Mittel zu verschaffen, sich als herrschende Klasse zu behaupten?" (Elend der Philosophie [1847], MEW 4, S.164)

"Die Steuerverweigerung ist nur ein Symptom des Zwiespalts zwischen Regierung und Volk, nur ein Beweis, dass der Konflikt zwischen Regierung und Volk schon einen hohen, gefahrdrohenden Grad erreicht hat. Sie bringt den Zwiespalt, den Konflikt nicht hervor. Sie drückt nur das Vorhandensein dieser Tatsache aus. Im schlimmsten Falle folgt auf sie der Sturz der bestehenden Regierung, der vorhandenen Staatsform. Die Grundfesten der Gesellschaft werden nicht davon berührt. Im vorliegenden Falle (1848 in Preußen) nun gar war die Steuerverweigerung eine Notwehr eben der Gesellschaft gegen die Regierung, von der sie in ihren Grundfesten bedroht war." (Verteidigungsrede in Köln [1849], MEW 6, S.256)

"a) Keine Änderung der Form der Besteuerung kann zu einer wesentlichen Veränderung in den Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital führen.
b) Wenn man nichtsdestoweniger zwischen zwei Steuersystem zu wählen hat, empfehlen wir die völlige Abschaffung der indirekten Steuern und ihre allgemeine Ersetzung durch direkte Steuern;
weil indirekte Steuern die Warenpreise erhöhen, schlagen die Händler auf diese Preise nicht nur den Betrag der indirekten Steuer auf, sondern auch die Zinsen und den Profit auf das von ihnen vorgeschossene Kapital;
weil indirekte Steuern dem einzelnen verbergen, was er an den Staat zahlt, während eine direkte Steuer unverhüllt und einfach ist und auch vom Ungebildetsten verstanden werden kann. Die direkte Steuer regt deshalb jeden dazu an, die Regierung zu kontrollieren, während die indirekte Steuer jede Tendenz zur Selbstverwaltung zerstört." (Instruktionen für die Delegierten des Provisorischen Zentralrats [der Internationalen Arbeiter-Association] zu den einzelnen Fragen [1866], MEW 16, S.198)

"Ist nicht jede Staatsschuld eine Hypothek, die dem Fleiß eines ganzen Volkes auferlegt wird, und ein Beschneiden seiner Freiheit? Lässt sie nicht eine neue Gesellschaft unsichtbarer Tyrannen entstehen, die unter der Bezeichnung öffentlicher Gläubiger bekannt ist?" ("Die neue sardinische Anleihe. - Die bevorstehende französische und die indische Anleihe" [1860], MEW 15, S.124)

"Die Akkumulation des Kapitals der Staatsschuld heißt, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als Vermehrung einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den Betrag der Steuern für sich vorwegzunehmen berechtigt sind." (Kapital III [geschrieben 1861-63], MEW 25, S.493)
"Der einzige Teil des so genannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist ihre Staatsschuld.", (Kapital I [1867], MEW 23, S.782)

"Wenn die Demokraten die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den Staatsbankrott." (Ansprache der Zentralbehörde an den Bund der Kommunisten vom März 1850, MEW 7, S.253)

Und da wir heute den 18. März schreiben, nicht zu vergessen:
"Die Kommune machte das Stichwort aller Bourgeoisrevolutionen – billige Regierung – zur Wahrheit, indem sie die beiden größten Ausgabequellen, die Armee und das Beamtentum, aufhob." (Der Bürgerkrieg in Frankreich [1871], MEW 17, S.341)

In diesem Sinne: VIVE LA COMMUNE!

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