Juli 31, 2009

Die Woche des Väterchen Machno: Persönliche Anmerkungen

Wieso eigentlich Machno?
Machno hat ja nun eigentlich keine individualistischen oder "linkslibertären" Positionen vertreten, sondern sich, im Gegensatz zu mir, explizit als "Kommunist" verstanden. Allerdings beschränkte sich der "Kommunismus" Machnos auf die - freiwillige - Sozialisierung des Bodens; das System der Landkommunen und durch Arbeiterkooperativen selbstverwaltete Fabriken, die untereinander Tauschwirtschaft betreiben, lässt sich durchaus mit mutualistischen oder voluntaristischen Ansichten vereinbaren. Auch von Machno hochgehaltene Prinzipien wie Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, Initiative und Kreativität erinnern nicht unbedingt an das, was der Individualist oder "Marktanarchist" gemeinhin unter "Kommunismus" versteht.

Mit der Organisationsplattform von Machno und Arschinow, letztlich der Versuch das Programm einer anarchistischen bzw. libertärkommunistischen Partei (im politischen Sinn des Wortes) aufzustellen, konnte ich allerdings auch schon in jüngeren Jahren nichts anfangen, als ich regelrecht alles über die Machnowstischina in mich hineinfrass: die Geschichte der Machno-Bewegung von Arschinow, die (Machno eigentlich nicht ganz so wohlgesonnene) Unbekannte Revolution Volins, die Machno-Hagiographie von Alexander Skirda, ein dünner französischer Band mit (nicht sonderlich spannenden) Schriften Machnos selber, bis hin zu obskuren anarchistischen Broschüren über "Machno und die Judenfrage". Ein Fall von jugendlicher Revolutionsromantik meinerseits?

Vielleicht eher von Wildwest-Romantik. Tatsächlich scheint mir Machno als Figur der volkstümlichen Mythologie Osteuropas - abgesehen von der Adoption Machnos durch ukrainisch-nationalistische Kreise, dies obwohl Machno kein Wort Ukrainisch sprach und der Machnowist Shalom Schwartzbard den historischen Führer der ukrainischen Nationalisten Simon Petliura ermordet hat - eher an den Mythos von Jesse James (wohlverstanden nicht der reale Jesse James, der wohl, nach allem was man weiss, ein ganz gewöhnlicher Krimineller war), an einen "Rächer der Enterbten" im Stile eines Zorro oder Robin Hood, als einen Ernesto "Che" Guevara zu erinnern. Nicht revolutionäre Volksmassen stehen im Mittelpunkt der Verbildlichung der Machnowstschina, sondern wilde, freie Reiter, die durch die Weite der Steppe rasen. So symbolisiert Machno einerseits eben die mit dieser Weite in Verbindung gebrachte Freiheit, das freie Leben der Kosaken, andererseits den Freiheitskämpfer, der, im Unterschied zu allen anderen maßgeblichen Protagonisten des russischen Bürgerkriegs, nicht nach Übernahme der Macht strebt, sondern nach siegreicher Beendung des Krieges und Eroberung der Freiheit zu einem einfachen Leben als Bauer zurückkehren will.

Zugleich ist die historische Erfahrung der Machnowstschina auch eine Mahnung: wie Machno selber einmal eingesteht, ist eine Armee wohl die schlechteste Grundlage für den Aufbau einer libertären Gesellschaft, die man sich denken kann. Dass die Schwarze Armee Machnos im Gemetzel des Bürgerkriegs nicht von dunklen Flecken verschont bleiben konnte, und Machno oft seine eigenen Truppen nicht unter Kontrolle behielt (siehe etwa Fedir Shsus' Massaker an Russlanddeutschen), scheint mir fast die logische Folge der Lage, in der sich die Machno-Bewegung befand. Auch wenn es hier oft schwer fällt, historische Wahrheit und Mythos auseinanderzuhalten (siehe etwa die Anklagen seitens der mennonitischen Kirche, die von einer systematischem Verfolgung und Ermordung von Mennoniten seitens Machno sprechen; das Problem ist nur, dass man hierüber in der oben genannten Literatur nichts findet, und auch Machno nirgends die Mennoniten auch nur erwähnt. Hier würde man sich wirklich nichtmennonitische Recherchen wünschen...) hat die anarchistische Geschichtsschreibung die Vorwürfe gegen die Machnowisten oft etwas allzu schnell als bolschewistische Propaganda abgetan.

In diesem Sinn sei das Bildnis des Väterchen Machno neben einer Reminiszenz an alte Zeiten auch als Symbol des Freiheitskampfes gegen sämtliche Tyrannen, gleichwelcher Couleur, verstanden, zugleich aber auch als Mahnung, dass das Errichten einer herrschaftsfreien Gesellschaft und Ausüben von Gewalt, d.h. von Herrschaft, notwendigerweise in Widerspruch zueinander stehen (zum Thema Anarchismus und Gewalt sei auch auf diesen lesenswerten Text bei Wendy McElroy verwiesen).

Keine Kommentare: