In der Tat liegen Religions- und Moralunterricht in der Praxis überhaupt nicht weit auseinander, Fernand Kartheiser (den ich allerdings verdächtige, den Lefébvre-Schismatikern näher zu stehen, als dem hiesigen Bischof) hat das ja auch bereits auf seiner "konservativen Seite" beklagt… Das war eigentlich schon zu meiner Schulzeit so, auch wenn es natürlich von der Einstellung des jeweiligen Lehrers abhing (da habe ich im Religionsunterricht von erzkonservativ über new age-spiritualistisch bis hin zu linksbewegt alles mögliche erlebt). Insofern hat Generalvikar Erny Gillen ja recht, wenn er sagt, es würde ein "Religionsunterricht bekämpft, den es gar nicht mehr gibt". Much ado about nothing also?
In gewisser Weise ist der jetzige Schrei der Katholiken nach "Wahlfreiheit" ohnehin, historisch gesehen, eine Kapitulation, jedenfalls ein eindeutiges Zugeständnis an die von Ratzinger ständig kritisierte "Diktatur des Relativismus". In den 1960ern richtete sich die Kirche noch gegen die Wahlfreiheit und bestand darauf, dass katholisch getaufte Kinder auch in der öffentlichen Schule gut katholisch erzogen werden mussten. Diese Zeiten sind ohne Zweifel vorbei und der staatlich organisierten Konkurrenzveranstaltung wird ebenfalls eine Existenzberechtigung zugestanden. Selbst vermeintliche Verteidiger des Religionsunterrichts wie Norbert Campagna (Luxemburger Wort, 12. Dezember) treten nunmehr für einen plurikonfessionellen Unterricht ein, eigentlich für einen Kurs über Religionsgeschichte.
Meine eigene Position in dieser Sache scheint übrigens wieder mal ultraminoritär zu sein: ich bin nämlich gegen beides, sowohl gegen der konfessionellen Unterricht in der öffentlichen Schule als gegen einen staatlichen Werteunterricht. Natürlich spricht ansonsten nichts dagegen, dass der konfessionelle Unterricht in konfessionellen Schulen stattfindet oder in anderer Form von den Religionsgemeinschaften, allerdings auf eigene Kosten, organisiert wird. Ich bin allerdings ebensosehr gegen den Werteunterricht, und gebe in dieser Hinsicht der "Wahlfreiheit"-Initiative recht, wenn sie betont, es sei nicht die Aufgabe des Staates Werte festzulegen. Das liegt in der Tat die Aussage des neuen Bildungsminister Claude Meisch nahe, wenn er sagt, der Wertunterricht solle "répondre aux questions (pratiques, philosophiques, spirituelles) de la vie que se posent les élèves". Gerade den Anspruch haben die Religionen eben auch. Hier wird also quasi ein Religionsersatz angeboten; der Feierkrop schreibt dementsprechend treffend die neue Regierung wolle den "katholischen Aberglauben" durch einen "staatlichen Religionsunterricht" ersetzen. Wobei der Glaube an Gott durch den an andere Kollektivsingulare ersetzt wird (der Staat, die Gesellschaft, "Europa"…).
Für den – mittlerweile regierungsnahen - Atheistenverband AHA muss dieser staatliche Religionsunterricht denn auch verbindlich werden, alles andere wäre sozusagen Anarchie, wie sie am Beispiel des VWL-Unterrichts illustrieren: "Genauso irrsinnig wäre, beim Fach 'Economie politique' die Schüler aufgrund der Parteikarte ihrer Eltern in einen kommunistischen, liberalen, sozialistischen oder ökologischen Unterricht aufzuteilen". (Tageblatt, 18.12,13)
Ja, wieso denn eigentlich nicht? Ich jedenfalls hätte mich über ein alternatives Angebot zu dem vulgärkeynesianischen Einheitsbrei gewünscht, der mir auf Sekunda und Prima als "politische Ökonomie" vorgesetzt wurde. In der Hinsicht kann ich nur mit den Aha’lern insofern übereinstimmen, dass dabei die Parteikarte der Eltern keine Rolle spielen soll. Richtige Wahlfreiheit setzt in der Tat ein pluralistisches Bildungsangebot voraus, worüber sich ja z.B. ck schonmal hier im Blog geäussert hat (d.h. auf L for Liberty).
1 Kommentar:
Ich bewundere die klare Analyse !
fisec
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