November 03, 2011

L'éternel retour

Wieso eigentlich wollen politisch bewegte Menschen ständig zu etwas zurückkehren, was in dieser Form nie existiert hat? Jüngstes Beispiel: die luxemburgischen Indignados, die in der heutigen Ausgabe des Quotidien zu Wort kommen. Titel des Interviews:
"Rétablir une forme de démocratie directe"!

Es ist mir neu, dass wir hier im Großherzogtum ehedem in einer Form der "direkten Demokratie" lebten, die es nun mehr zu restaurieren gelte! Bisweilen scheint es sich auch um die "Demokratie" als solche zu handeln, die früher (in vergangenen und vergessenen Zeitaltern) offenbar unsere Regierungsform war und abhanden gekommen ist, bzw. durch eine Plutokratie ersetzt wurde ("Nos démocraties de l'Ouest ne sont plus de vraies démocraties: ce sont des ploutocraties" - "Nous voulons rétablir une forme de démocratie directe face à une démocratie qui n'existe plus dans nos pays, un système qui est en faillite.") - zu Zeiten von Mayrisch und co. spielte Geld wohl noch keine maßgebliche Rolle und die Unternehmen interessierten sich nicht dafür, Profite einzufahren...

Ansonsten ist nicht wirklich erkennbar, was unsere nicht mehr ganz so jungen Empörten so genau wollen; zu vage die Aussagen, die sich im Allgemeinen auf der Ebene von Wahlslogans bewegen ("Penser global, agir local"; "Solidarité, partage et égalité"; "re[!]mettre l'humain au coeur du système" usw.), um wirklich eine programmatische Plattform abzugeben und sich von ungebetenen Unterstützern abzugrenzen. Z.B. hat selbst der ehemalige Staatsminister und EU-Kommissionspräsident Jacques Santer vergangenen Samstag sein Sympathisieren mit Indignados, Occupy Wall Street usw. ausgedrückt. Die Indignados wollen, laut Interview, keine Revolution, sondern Evolution, und die kritische Masse erreichen, um bei der herrschenden Klasse Gehör zu finden ("Nous ne voulons pas la révolution, mais l'évolution. Nous espérons avoir un mouvement si important au niveau mondial que nous pourrons finir par avoir véritablement de l'influence et être une voix importante. Les membres du système seront alors obligés de nous écouter et de changer les choses, de tenir compte de nous."); gleichzeitig interessieren sie sich nach eigener Aussage jedoch nicht für derartige Sympathieerklärungen, und befinden, das "Establishment" würde sich nur mit kleinen Reformen begnügen, um das Volk zu beruhigen. Ja, was denn nun?

Irgendwie komme ich nicht umhin, Marx' Charakterisierung des "kleinbürgerlichen Sozialismus" aus dem Manifest der kommunistischen Partei im Hinterkopf zu haben (Stefan Blankertz geht's offenbar ähnlich), wenn des Weiteren die "élimination de la classe moyenne" befürchtet wird:

"Seinem posititiven Gehalte nach will jedoch dieser Sozialismus entweder die alten Produktions- und Verkehrsmittel wiederherstellen und mit ihnen die alten Eigentumsverhältnisse und die alte Gesellschaft, oder er will die modernen Produktions- und Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigentumsverhältnisse, die von ihnen gesprengt wurden, gesprengt werden mußten, gewaltsam wieder einsperren. In beiden Fällen ist er reaktionär und utopisch zugleich." (MEW, 4, S.485).

2 Kommentare:

iergendeen:) hat gesagt…

salut!
"occupy x" ass jo eng eenlech geschicht, hei dozou eng (individualistesch/egoistesch) kritik, dei ech nawell ziemlech prägnant fannen: http://anarchistnews.org/node/16950
den auteur ass och nach ennert dem numm wolfi lanstreicher bekannt. vlait kenns de den jo, perseinlech fannen ech dei meescht vun sengen texter wierklech gudd bzw. inspireirend.
ciao

nestor hat gesagt…

Gudden Text! Merci fir den Tipp.